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Centro Neotrópico Sarapiquís

Heute war ein sehr heißer Tag. Und wieder ganz ohne Regen. Dafür war die Luftfeuchtigkeit unerträglich hoch. Nach dem Frühstück in unserer Lodge fuhren wir ins Centro Neotrópico Sarapiquís. Das liegt auf der Straße Richtung Ciudad Quesada, genauer in La Virgen, 17 km weg von Puerto Viejo de Sarapiquí. Wenn man im Auto sitzt, ist es noch einigermaßen erträglich, da die Klimaanlage (aire acondicionado) innerhalb zwei Minuten für fast normale Temperaturen sorgt. Die Windschutzscheibe beschlägt von außen, da die feuchtheiße Luft an der gekühlten Scheibe kondensiert. Schnell ist ein kühles Raumklima erreicht. Wenn man jetzt nicht zurückregelt, friert es einen sogar. Aber sobald man die Wagentür öffnet, holt einen die Wirklichkeit mit einem Faustschlag ein. Wir kommen in La Virgen an. Das Centro Neotrópico ist eine große Anlage mit botanischem Garten, einem Museum für indigene Kultur sowie einer kleinen aber sehr gepflegten Lodge. In Costa Rica gab es vor der Eroberung acht indigene Volksstämme, von denen ein paar bis heute ihre Sprache und in geringem Umfang auch ihre Kultur beibehalten konnten. Insgesamt leben heute ca. 35.000 Indigene in Costa Rica. Wir lernen die Lehren ihrer Schamanen kennen, den Gebrauch der Heilhölzer (ca 1 m lange, 8 cm dicke und bemalte Holzknüppel), Heilkräute, ihre rituellen Tänze. Wir schauen uns noch den botanischen Garten an. Am meisten interessieren mich die Kräuter, die hier viel intensiver duften als bei uns. Wilde Pfefferminze, Opuntie (Tuna, Nayeli aus Mexico würde sagen: Nopales), Wilder Koriander (culantro de coyote, in Ludwigsburg im Asia-Laden bei Soo-Lian als „stinking grass“ erhältlich), wilder Oregano, ein ganz toll riechender Rosmarin. Da war zwar ein Schild mit „Breitwegerich“ dran (plantaga mayor), aber die Gringo-Touristen hätte das eh nicht interessiert. Unter anderem gibt es hier noch Kakaobäume und einen Cas-Baum. Cas (psydium friedrichsthalianum) wird hier in Costa Rica gerne als refresco natural getrunken. Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, wird für ein refresco frisches Obst mit Wasser oder Milch im Mixer püriert. Das ganze noch etwas gezuckert und mit Eiswürfeln serviert. Wir fahren nach Puerto Viejo de Sarapiquí. Im Supermarkt La Viña, keine 100 m von Yader und Pattis Häuschen, kaufen wir Teigwaren, Thunfisch, Kapern, Tomaten, Koriander. Patti hat heute ihren ersten Tag in der Schule und wir wollen ihr ein Mittagessen bereiten. Im Haus treffen wir auf Johannes, der gerade einen großen Krug Tamarindengetränk bereitet. Doppelte Menge Tamarinde, damit es auch richtig fruchtig schmeckt. Wir essen, Patti muss noch Ausdrucke für die Schule machen, ich bringe Johannes und Katharina (die andere Freiwillige) nach Chilamate, komme zurück und wir fahren in unsere Lodge. Zwischenzeitlich ist es so heiß, dass es kaum mehr erträglich ist. Man hört wieder das Avioneta, das die Plantagen besprüht. Es fliegt knapp über den Plantagen, zieht dann steil hoch, um in einer engen Kurve zu wenden. Dann stürzt es wieder in den Tiefflug. Wir hören ein Gewitter. Man sieht Blitze. Der Donner wird immer lauter. Der Regen bleibt diesmal jedoch aus. Wir fahren noch zu Patrizia. Yader ist zwischenzeitlich von seinem Seminar zurück. Wir machen wieder Tomatensalat sowie Nudeln mit Rührei. Johannes hat eine Guacamole püriert, die wir als Vorspeise mit Maiskräckern dippen. Wir sprechen über die Iglesia Luterana, über die Themen, die dort gerade anstehen, über das Seminar. Gegen zehn sind wir in der Lodge und die Temperatur beginnt, erträglicher zu werden.

Die Flussfahrt

Heute haben wir eine Flussfahrt unternommen. Genauer gesagt war es eine zoologisch-botanische Exkursion. Wir mussten bereits um 9 Uhr an der Anlegestelle sein, da um diese Zeit mehr Tiere zu beobachten sind als am Mittag. Außer uns war noch ein Paar aus der Schweiz mit dabei. Die restlichen Sitzplätze blieben leer, und das war gut so. Der Bootsführer musste nicht laut sprechen, da wir direkt hinter ihm saßen und so konnten wir eine Vielzahl an Tieren beobachten. Zuerst ging’s ein Stückchen flussabwärts Richtung Río San Juan. In der Nähe des Badeplatzes sahen wir einige Affen in den Bäumen klettern. Es waren Brüllaffen, am dunklen Fell sehr gut erkennbar. An einem Baumstamm hingen Fledermäuse, eine ziemlich kleinwüchsige Art, fast so klein wie Schmetterlinge. Dann fuhren wir wieder flussaufwärts. Es ging in einen Nebenfluss hinein. Die Ufer waren dicht bewachsen. Kakaobäume, wilde Bananen, den geschützten Bergmandelbaum, Brotfruchtbäume. Und wieder viele Tiere. Es gibt hier auf dichtestem Raum über hundert Vogelarten. Wir sahen viele Eisvögel, Reiherarten, den „Schlangenhalsvogel“ Anhinga, der so heißt, weil beim Schwimmen nur sein langer Hals und der Kopf aus dem Wasser taucht. Jedes Mal, wenn der Bootsführer ein Tier erspähte, fuhr er ganz dicht ans Ufer, damit wir es aus nächster Nähe betrachten konnten. Wir sehen große, ausgewachsene Leguane, die kleineren Basilisken und drei Kaimane, denen wir uns jedes Mal bis fast auf einen Meter nähern können. Dass die Tiere hier so dicht aufeinander leben, dass sie sich beinahe auf die Füße treten, ist erstaunlich. Aber die Kaimane gehen mir noch durch den Kopf: warum baden die Kinder jeden Tag im Fluss, wenn es so viele Kaimane gibt? „Die essen nur Fische“, sagt unser Bootsführer. Hoffentlich wissen die Kaimane das auch.

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Am Nachmittag nehmen wir Patti mit in unsere Lodge, damit sie sich in dem kleinen Jacuzzi ohne Kaimane erfrischen konnte. Abends bereitet uns Idiana, die Köchin, ein Essen aus gebratenen Fischstücken, Gemüse und Salat. Dazu gibt es einen großen Krug Carambolasaft, frisch gepresst aus Früchten aus dem Garten. Wir bringen Patti zurück nach Puerto Viejo, denn morgen ist ihr erster Tag an der Schule.

Sonnenschein im Regenwald

Als ich aufwache, höre ich keinen Regen. Nur das Vogelgezwitscher. Ich schaue hinaus. Noch ist es etwas dämmerig und diesig. Es wird ein schöner und sonniger Tag. Nach so viel Regen die letzte Zeit freut man sich auf die Sonne. Nach dem Frühstück schaue ich mir die Umgebung unserer Lodge an. Ich gehe ans Flussufer. Es ist kaum zu glauben: das Hochwasser ist weg. Von jetzt auf nachher. Der Sarapiquí hat eine starke Strömung. Vor zwei Tagen noch war der Fluss über die Ufer getreten und hat weite Teile überschwemmt. Jetzt ist der Wasserstand um mehrere Meter gefallen. Die Schiffslände am alten Bananenhafen, die komplett unter Wasser lag, ist jetzt wieder frei. Wir werden heute einen Ausruhetag einlegen.

Vorbereitungen für den großen Tag

Es ist der zweite Tag im Regenwald und der Tag vor dem großen Fest. Als ich morgens aufwache (meine innere Uhr geht immer noch nach deutscher Zeit), fängt es wieder an zu regnen. Heute nacht war für ein paar Stunden Ruhe mit Regengeprassel, aber jetzt geht es wieder los. Unsere Lodge besteht aus Cabañas, die in einem fast geschlossenen Kreis um eine Grünfläche herum gruppiert sind. Die Lodge wirbt um Gäste, die sich für Vogelbeobachtung interessieren. Deshalb ist in der Mitte der Grünfläche ein Fütterungsplatz für Vögel errichtet. Die Besitzer legen dort jeden Tag frisches Obst aus, und die unterschiedlichsten meist bunten Vögel holen sich ihren Anteil. Wir frühstücken unter einem großen Dach in der Nähe der Rezeption. Es gibt einen Riesenteller mit frischem Obst, Kaffee (leider nicht so aromatisch wie in San José) und das obligatorische Gallo Pinto. Viel Zeit haben wir nicht, denn um neun wollen wir wieder bei Yader und Patrizia sein. Durch den Wald vor zur Straße, Richtung Sarapiquí am (überfluteten) Fußballplatz rechts abbiegen, die nächste wieder links, ein Häuschen der Anonymen Alkoholiker, die katholische Kirche, die Schule, die mit ihren hellgrünen Baracken und ihren hohen Maschendrahtzäunen -Entschuldigung- ein bisschen an Guantánamo erinnert und das nächste Haus ist schon das Pfarrhaus. Wir sitzen alle am Küchentisch und besprechen, wie es weitergeht. Da wir kein Gepäck mehr im Auto haben, können wir alle fünf mitfahren. Es regnet immer noch. Es ist unglaublich. Dabei ist jetzt eigentlich Trockenzeit. Aber hier in Sarapiquí gibt es nie Trockenzeit. Während sich in San José die Leute jeden Tag über Sonne und 30° freuen können, schwimmen hier die Häuser fast davon. Außerhalb der Stadt haben wir sogar Häuser auf Stelzen gesehen. Man ist eigentlich immer nass. Vom Auto ins Lokal die paar Meter reichen manchmal, um nass zu werden und nasse Füße gehören hier zum Alltag. Viele tragen deshalb Flipflops.  Kalt ist es nie, die 30° gibt es auch hier, es sind aber nasse 30°. Wir fahren also wieder die Landstraße vor bis zur Carretera 32, biegen aber jetzt ab in Richtung Limón. Wieder viel Verkehr. Wir passieren den Río Corinto, den Río Costa Rica, den Río Blanco, das Flüsschen Río Danta. Schließlich geht es über eine große Brücke, die das breite Flussbett des Río Toro Amarillo überspannt. Irgendwann geht es links ab nach Guápiles. Guápiles ist ebenfalls ein Zentrum hier in der Gegend, hat aber leider nicht den Flair von Sarapiquí. In der ganzen Stadt sieht man vor lauter Reklametafeln und Transparenten die Ladengeschäfte nicht mehr. Zwei zweispurige Einbahnstraßen zerteilen die Stadt und erschweren es uns, den Konditor zu finden, bei dem wir die Hochzeitstorte bestellen wollen. Endlich, nachdem wir uns erkundigt haben, finden wir die Bäckerei. Die Verkäuferinnen rufen den Konditor. Er kommt mit einem Katalog und einem Block Papier, auf dem er aufzeichnet, wie man die einzelnen Etagen der Torte zusammensetzt. Die drei Teile werden einzeln gefertigt. Danach wird mit umgedrehten Sektgläsern das Ganze aufgebaut. Welche Creme kommt noch hinein, damit das Ganze nicht zu trocken wird? Dulce de leche (gezuckerte und karamelisierte Kondensmilch), Erdbeer-, Pfirsich und Birnencreme oder Crème Chantilly. Wir entscheiden uns für Crème Chantilly, vereinbaren 15 Uhr als Abholtermin und setzen uns noch für eine Erfrischung. Wir trinken Kaffee, refresco natural, essen Ananaskuchen (genauer: Ananasvulkan), Schneckennudeln (leider nicht so lecker wie von Oma Waiblingen). Jetzt müssen wir noch in den Blumenladen. Wieder diese Sucherei durchs Verkehrsgewühl. Wir parken im Halteverbot, gehen in den Laden und lassen uns verschiedene Blumen zeigen. Patti ist total unentschlossen. Wir müssen alle mithelfen, damit wir eine Entscheidung finden. Wieviele Tische müssen geschmückt werden? Und ein Brautstrauß muss auch noch bestellt werden. Wir vereinbaren, die Blumen am nächsten Tag um zehn abzuholen. Wir lassen die Gestecke nicht anfertigen, sondern bestellen 8 Kunststoffschalen und 2 Quader Steckschaum. Im selben Laden ist noch ein Friseur. Also auch dies gleich regeln. Patti braucht noch für morgen eine Hochzeitsfrisur. Nachdem wir im Katalog eine Frisur gefunden haben, machen wir für 15 Uhr einen Termin aus. Jetzt aber noch zum Centro Manú. Das Centro Manú liegt außerhalb der Stadt, auf der anderen Seite der Carretera 32. Auch hier müssen wir wieder suchen. Die erste Abfahrt ist wohl falsch. Wir landen vor dem Gerichtsgebäude. Yader ruft kurz im Centro an. Eine Abfahrt weiter müssen wir raus. Es geht in die Pampa, dennoch gibt es einige Häuser rechts und links der Straße. Wer hier wohl wohnt, frage ich mich. Allerdings hängt an einigen Häusern ein Schild „Se vende“: zu verkaufen. Die Straße wird immer schlechter. Wieder sind wir froh, einen Allradgeländewagen zu haben. Endlich das Centro Manú. Wirklich sehr schön angelegt. Es wurde kaum gerodet, nur für die Wege und die Häuschen. Wir parken vor dem „Speisesaal“. Der Verwalter kommt und begrüßt uns. Yader stellt uns vor. Wir gehen zum Versammlungsraum, in dem morgen die Trauung stattfinden wird. Es ist ein Dach auf Stelzen. Aber eine einzige Wand gibt es doch und diese ist wunderschön bemalt. Jetzt schauen wir uns noch den Speisesaal an. Wie wollen wir die Tische stellen? Wir entscheiden uns für eine U-Form. Und dann der Ablauf: 18 Uhr Trauung, 18:40 Uhr das „brindis“, d.h. Anstoßen auf das Brautpaar, Ansprachen (kurze!), Glückwünsche. Danach das Essen. Wir schauen uns noch etwas die Anlage an, den Swimming Pool (ein aufgestautes Bächlein), Basketballplatz, Tischtennis. Dann geht’s zurück Richtung Sarapiquí. An dem Soda neben der Tankstelle Río Blanco essen wir noch eine Kleinigkeit. Aber es ist laut. Die LKWs müssen hier einen Gang zurückschalten. Wir sehen Sattelzüge voller Ananas, Bananen und lebenden Zeburindern. Als wir dann näher an Sarapiquí sind, wird der Regen wieder stärker. Sarapiquí scheint wirklich das Regenzentrum des Regenwaldes zu sein. Nach der Brücke über den Hochwasser führenden Sarapiquí, der die Farbe von cafe con leche hat (Yader meint: como chocolate), ist es nicht mehr weit. Bevor wir in den Supermarkt gehen, um die alkoholfreien Getränke für morgen zu kaufen, ruft Yader seine Schwester Ana Cristhian auf dem Handy an. Sie ist mit dem Bus von San José aus auf dem Weg hierher, zusammen mit Töchterchen Ashley und ihrer Mutter Doña Elba und sie werden in Kürze hier ankommen. Also Feli und Patti im Haus absetzen und zur Bushaltestelle am Fußballplatz, wo der Bus gerade angekommen ist. Dass nach solch einem chaotischen Tag dieser Abholtermin so geklappt hat, grenzt an ein Wunder.