Archiv für den Monat: Februar 2010

Ometepe

Wir genießen nochmals das herrliche Frühstück im Patio der Casa La Merced, um danach noch einen kleinen Stadtbummel zu machen. Wir besuchen die Casa de los Tres Mundos. Dies ist ein Kulturzentrum, gegründet von Dietmar Schönherr und Ernesto Cardenal. Hier werden Kinder kostenlos in Musik und Kunst unterrichtet. Um elf holt uns das Taxi vom Hotel ab und bringt uns zum Busbahnhof, an dem die Busse nach Rivas abfahren. Es geht wieder an der Markthalle vorbei. Obwohl heute Sonntag ist sind alle Verkaufsstände an der Straße geöffnet und es herrscht ein großes Gedränge. Der Busbahnhof ist ein schmutziger Hof, in einer nicht befestigten Nebenstraße, direkt neben einer wilden Müllkippe. Man sieht halb verfallene Wellblechhütten, vor denen ärmliche Gestalten sitzen. Die Busse, die hier herum stehen sind allesamt mindestens 20 Jahre alt. Unser Bus ist ein Canadian Blue Bird Baujahr 1986. Sämtliche Reifen sind komplett heruntergefahren. Wie sich später herausstellt funktioniert kein einziges Instrument am Armaturenbrett, nicht einmal der Tacho. Dafür hat der Bus eine riesige Hupe, die mitten auf der Motorhaube angebracht ist. Sämtliche Sitzpolster sind zerrissen, teilweise sitzen die Fahrgäste direkt auf dem Schaumgummi. Da es draußen sehr heiß ist, warten wir im Bus auf die Abfahrt. Immer wieder gehen Verkäuferinnen durch den Bus, um selbstgemachte Süßigkeiten, Popcorn und Enchiladas zu verkaufen. Dann fährt der Bus langsam zum Hoftor hinaus. „Rivas – Rivas – Rivas“, ruft der Hilfsschaffner laut und hilft noch ein paar Fahrgästen, während der Fahrt in den Bus zu steigen. Als wir auf der Carretera sind (der Carretera Panamericana, auch Interamericana genannt) gibt der Fahrer Gas.

Der ganze Bus vibriert wegen der nicht gewuchteten Reifen und laufend wird die Hupe betätigt. An einer Haltestelle klettert der Hilfsschaffner aufs Dach, nimmt ein dort transportiertes Fahrrad und reicht es dem Besitzer herab. Der Bus fährt los. Bleibt der Hilfsschaffner jetzt auf dem Dach sitzen? Bei voller Geschwindigkeit klettert er durch die offene Tür wieder herein. In Rivas, noch vor der Endstation steigen wir aus. Ein Taxi bringt uns nach San Jorge zum Hafen, an dem die Schiffe zur Insel Ometepe abfahren. Die Insel Ometepe besteht aus zwei steilen Vulkankegeln inmitten des Nicaraguasees, die über eine Landbrücke miteinander verbunden sind. Die Vulkane heißen Concepción (ca. 1600 m hoch, aktiv) und Madera (ca. 1400 m hoch, inaktiv). Die Überfahrt mit der Fähre dauert eine Stunde. Es ist sehr starker Seegang, aber das sei anscheinend normal. Auf der Insel warten bereits Taxifahrer, die gezielt auf Touristen zugehen (Einheimische können sich das kaum leisten). Wir lassen uns zu einer einstündigen Fahrt zur Playa Santo Domingo überreden, für das der Fahrer US$ 20 haben will. Die ganze Insel scheint noch um Jahrhunderte zurück zu sein. Außer Pferdekarren, die man in ganz Nicaragua noch sieht, gibt es viele Ochsengespanne. Vor den äußerst primitiven Hütten liegen oft die Schweine, meist nicht einmal angebunden. Die letzten paar Kilometer ist die Straße so schlecht, dass unser Fahrer im Schritttempo fahren muss. Der berühmte Santo Domingo Strand entpuppt sich als eine Ansammlung von drei allereinfachsten Unterkünften. Wir „logieren“ in der Finca Santa Domingo. Das laute Rauschen der Brandung erlaubt nur einen leichten Schlaf.

Granada, die alte Kolonialstadt

Nach dem Frühstück in dem herrlichen Patio unseres Hotels überlegen wir, was wir hier alles anschauen können. Einen großen Teil der Stadt haben wir ja bereits gesehen. Wir fragen an der Rezeption, was uns empfohlen wird. Es gibt ein rechts günstiges Tagespaket. Darin ist eingeschlossen eine Stadtführung durch einen Fremdenführer nur für uns, sämtliche Eintritte in Museen, Kirchen (Turmbesteigung), ein Mittagessen mit drei Gängen, eine Kutschfahrt zum Erholungszentrum, eine Bootsfahrt zu den Isletas und mit dem Taxi wieder zurück. Das Ganze kann hier so günstig angeboten werden, da es in Nicaragua kaum halbwegs normal bezahlte Arbeitsplätze gibt. Ohne die ca. 2.000.000 Nicaraguaner, die in Costa Rica arbeiten und das Geld heimschicken, könnte das Land wahrscheinlich nicht existieren. Aber für viele Nicaraguaner kann man dennoch nicht von Existenz sprechen. Wir beschließen, das Angebot anzunehmen. Um elf holt uns unser Fremdenführer Rodolfo am Hotel ab. „Soy Rolf, es el mismo nombre“, sage ich, und wir lachen. Wir erfahren viel über diese alte Stadt und ihre bewegte Geschichte. Granada wurde bereits 1524 gegründet und hat viele kriegerische Auseinandersetzung erlebt. Trotz Krieg und verheerenden Bränden gibt es heute noch Bausubstanz aus dieser Zeit, wie z.B. das Kloster San Francisco, das noch aus Lehmziegeln erbaut ist. Wir beginnen unseren Stadtrundgang an der Kirche Xalteva, am Rande des Stadtkerns. Davor ist ein kleiner Park. Früher grenzte dieser Park an ein Indiosiedlung. Davon ist heute jedoch nichts mehr zu sehen. Wir gehen weiter zur Kirche La Merced, direkt gegenüber unseres Hotels. Wir gehen die engen (40 cm breiten) Stufen zum Glockenturm hinauf. Von hier aus hat man einen einmaligen Ausblick über die ganze Stadt, sehen den nahegelegenen See, der mit seinen mehr als 8.000 km² unter den zehn größten Seen der Erde ist. Ganz in der Nähe ist der Vulkan Mombacho, der zuletzt 1570 ausgebrochen ist. Es ist angenehm hier oben. Durch den leichten Luftzug spürt man die Hitze nicht so sehr. Drunten in der Stadt laufen die Leute schon mit Schirmen herum, um sich gegen die Sonne zu schützen.Wir besichtigen einen der Märkte, die es hier in der Stadt gibt. Ich habe mich schon auf einiges hier eingestellt. Schon die Markthalle in San José kann man von der Sauberkeit her nicht mit der Markthalle in Stuttgart vergleichen, aber das hier … Die Markthalle wurde seit mindestens 100 Jahren nicht mehr renoviert. Die rohen Holztische, auf denen Fleisch, Innereien, Fisch und Geflügel (ungekühlt natürlich)  zum Verkauf angeboten werden, stammen auch noch aus dieser Zeit. Der Gestank ist kaum auszuhalten. Dennoch ist hier ein riesiges Gedränge in dem schlecht beleuchteten Gebäude. Die Verkäufer sind ständig damit beschäftigt, die Fliegen und anderes Getier zu verjagen. Wird das hier tatsächlich gegessen? Bei uns würde das Gesundheitsamt den Laden innerhalb einer Stunde dichtmachen. Draußen sind ebenfalls Verkaufsstände. Billige Klamotten, Handyladegeräte, Fernbedienungen. Alles Billigware aus China.Weiter geht es zum Rathaus, zum Platz der Unabhängigkeit, vorbei an der Kathedrale, am Bischofssitz, am Fernmeldeamt. Um ein Uhr setzt uns Rodolfo an einem spanischen Restaurant ab. Es ist wie die meisten Gebäude hier ein Atriumhaus. Unter dem schattigen Dach mit Blick auf den reich mit Bäumen bewachsene Innenhof und dem Geplätscher des Brunnens nehmen wir unser dreigängiges Mittagessen ein. Eine Stunde später ist Rodolfo wieder da. Es geht weiter zum Kloster San Francisco, das sogar noch ein paar Jahre vor der Stadtgründung hier errichtet wurde. Im Innern ist teilweise der Putz freigelegt, damit man die Konstruktion aus Lehmziegeln erkennen kann. Hinter dem Kloster befindet sich ein Museum für indigene Kultur mit Steinstatuen von Menschen, die ein Tier (ein Krokodil?) auf dem Rücken tragen.Vor dem Museum wartet unser 1 PS Taxi. Mit Hufgeklapper geht es durch die engen Straßen zum Seeufer. Wir fahren ins Touristenzentrum. Das Touristenzentrum ist in erster Linie für die Einheimischen hier. Sie kommen aus allen Teilen des Landes, um hier im See zu baden und bei den abendlichen Partys ein bisschen Spass zu haben. Alles hier ist sehr einfach gehalten. Auch liegt viel Müll herum. Aber es gibt viele Kinderspielplätze. Am Strand sind viele Chilamatebäume, die mit ihren breit ausladenden Kronen Schatten spenden. Wir fahren weiter zu den Bootsplätzen. Auch das Boot ist nur für uns exclusiv. Wir fahren durch die enge Bucht zwischen kleinen Inseln hinaus. Teilweise ist das Wasser dicht mit Seelilien bewachsen. Wir sehen Frauen, die ihre Wäsche im See waschen. Dann fahren wir dicht an kleinen Inseln vorbei, auf denen luxuriöse Häuser stehen. Also auch in solch bitterarmen Ländern wie Nicaragua gibt es eine Oberschicht. Eine der Inseln gehört einem gewissen Carlos Pellas, der große Teile der Wirtschaft Nicaraguas kontrolliert. Wir halten unter einem überhängenden Baum. Ein Affe springt sofort auf unser Boot und lässt sich mit Tomaten füttern. Nach seiner Mahlzeit schicken wir ihn wieder zurück. Wir sehen einen Baum mit hängenden Nestern. Es sind die Nester des Oropéndola (Psarocolius). Gegen fünf Uhr fahren wir zurück, nicht ohne das Denkmal des Stadtgründers, eines Francisco Hernández de Córdoba in der Abendsonne zu fotografieren.

Nicaragua

Heute geht es nach Nicaragua. Vielleicht. Denn wir haben noch keine Bustickets und haben auch noch nicht gecheckt, mit welcher Busgesellschaft wir wann und wo abfahren. Aber zuerst frühstücken wir auf der Terasse des Hotels in der Fußgängerzone, dem Boulevard. In den Nachrichten sehe ich den Río Chirripó und wie die Rettungskräfte mit dem Wildwasserschlauchboot den Fahrer eines Kiesbaggers von einer Kiesbank im Fluss retten.Wir nehmen ein Taxi zum Busterminal Transnica. Wir fahren durchs Barrio Mexico, einem „etwas unsicheren“ Stadtviertel. Viele uniformierte Polizisten tummeln sich in der Menschenmenge auf den Straßen. Wir fahren vorbei am Mercado Borbón, ebenfalls einer Markthalle wie der Mercado Central. Allerdings werden hier nur Lebensmittel verkauft. Obst, Gemüse, Geflügel, Fleisch und Fisch. Die Fahrt geht vorbei am Flughafen in Alajuela. Dann geht es weiter im zentralen Hochland. Das Klima hier ist relativ trocken, entsprechend ist auch die Vegetation. Es gibt Viehweiden. Wir sehen Rinder, Zebus, Pferde. In Cañas fahren wir an einer Stierkampfarena vorbei, der ersten die ich hier in Costa Rica sehe. Alles ist aus sehr einfachen Baumaterialen erstellt. Holz und Wellblech. Wir fahren über eine Brücke unter der die Kinder im Fluss baden. Kurz vor Einbruch der Dämmerung erreichen wir Peñas Blancas, die Grenzssation zu Nicaragua. Im Bus haben wir schon alle Formulare ausgefüllt, für die costaricanischen und für die nicaraguanischen Zöllner. Wir müssen den Bus verlassen und uns in der lange Schlange vor der Passkontrolle einreihen. Wir warten 40 Minuten, bis wir an der Reihe sind. Dann heißt es wieder einsteigen und der Bus fährt über die Grenze. Zuerst geht es durch die „fumigación“. Der Bus wird wie in einer Waschanlage bis zu den Scheiben hoch mit Desinfektionsmittel besprüht. An der nicaraguanischen Grenzstation müssen wir wieder aussteigen. Wieder heißt es warten. Diesmal muss auch das komplette Gepäck aus dem Bus ausgeladen werden. Als wir endlich im Bus sitzen, ist es bereits dunkel. Bei leichtem Nebel geht es durch Gassen von LKWs, die auf ihre Abfertigung warten. Als wir auf der Landstraße sind, können wir kaum noch etwas durch die Scheiben sehen. Ab und zu eine Ansammlung ärmlicher Hütten, vor denen eine Glühbirne ein spärliches Licht verbreitet. Nicaragua ist ein sehr armes Land. Laut Statistik leben 80% der Bevölkerung unterhalb des Existenzminimums. Jeder Dritte ist unterernährt. Wir fahren weiter durch die Dunkelheit. In Granada steigen wir aus. Mit uns steigt ein Paar aus, die ebenfalls eine Bleibe suchen. Wir suchen ein Taxi. Ein einziger Kleinwagen wartet an der Bushaltestelle auf Fahrgäste. Wir zwängen uns zu viert hinein und lassen uns zum Hotel Casa La Merced bringen. Die Casa La Merced liegt direkt gegenüber der gleichnamigen Kirche. Es ist ein altes Kolonialhaus mit Atrium, geschmackvoll und luxuriös eingerichtet. Wir haben keine Hotelreservierung. Es gibt aber noch freie Zimmer. Wir haben Glück. Die Hotels hier scheinen nicht stark ausgelastet zu sein, denn die Besitzerin gibt uns noch einen Rabatt.

Wieder bei Regen durch den Braulio Carrillo

Fußballplatz und Kirche in Puerto ViejoNach dem Frühstück in der Lodge heißt es auschecken. Wir haben aber noch ausreichen Zeit, das Gepäck umzupacken. Wir haben vor noch nach nach Nicaragua zu fahren und wollen unsere Koffer solange bei Yader und Patti lassen. So packen wir die Sachen für die drei Tage in einen großen Rucksack. Plötzlich ist der Strom weg. Ich bin froh, dass ich noch vor dem Frühstück geduscht habe, denn wegen des Stromausfalls gibt es auch kein Wasser. Als wir um die Mittagszeit nach Puerto Viejo kommen, ist dort ebenfalls Stromausfall. Patti kommt von der Schule. Wir wollen etwas kochen, aber der Herd geht ja auch nicht. So beschließen wir heute im Bamboo zu essen. Zurück im Haus verabschieden wir uns. hier wohnen Patti und YaderUm zwei muss Patti wieder zur Schule. Doch bevor wir losgefahren sind, kommt Patti wieder zurück. Heute mittag ist schulfrei wegen des Stromausfalls, obwohl seit einer halben Stunden wieder Strom da ist. Ja, die Schulen in Costa Rica, darüber könnte man einen eigenen Artikel schreiben. Vor allem die Pädagogik hat mit dem, was wir in Deutschland kennen, recht wenig zu tun. Aber Patti wird darüber sicherlich einiges in ihrem Praktikumsbericht schreiben. Bei strömenden Regen fahren wir los. Kurz vor der Einmündung auf die Carretera 32 passieren wir die Brücke über den Río Chirripó.

Es ist beeindruckend, welche immensen Wassermassen hier durch das Flussbett stürzen. Der Río Chirripó ist einer der Flüsse, die den Regenwald-Nationalpark Braulio Carrillo entwässern. Sobald es hier regnet, verwandelt sich der Fluss in kürzester Zeit in einen reißenden Strom. Ich stelle das Auto ab und laufe mit Regenschirm und Digitalcamera zur Brücke zurück, um ein paar Clips von diesem Schauspiel zu drehen.  Als wir dann auf der Carretera 32 sind, schaffen die Scheibenwischer (gesichert mit dem Stückchen Tempo) kaum mehr die Wassermassen. In San José angekommen, suchen wir die Mietwagenfirma, tanken nochmals voll und lassen uns den Weg dorthin erklären. Die Mitarbeiter von Adobe sind sehr erfreut: wir sind sorgsam mit dem Fahrzeug umgegangen. Wir fragen nach einem Taxi zum Hotel Posada del Museo. Taxi? In 10 Minuten muss sowie ein Mitarbeiter dort in diese Gegend und wir können mitfahren. im Hotel Posada del MuseoEs ist Don Rafael, der uns gleich freundlich begrüßt und uns nach der Hochzeit fragt. Die Leute hier sind sehr freundlich und erinnern sich auch noch nach Tagen an einen und was man mit ihnen geredet hat. Das Hotel Posada del Museo liegt direkt am Nationalmuseum, Ecke Boulevard und Avenida Segunda. Die Avenida Segunda ist eine sehr stark befahrene Straße, da sie die Hauptausfallstraße zur Fuente de la Hispanidad und nach Cartago ist. Dafür ist das Hotel sehr schön. Ein mehrstöckiges, über 100 Jahre altes Holzhaus, ganz im Kolonialstil gehalten. Fast alles ist noch original, aber sauber gepflegt und erhalten.

Centro Neotrópico Sarapiquís

Heute war ein sehr heißer Tag. Und wieder ganz ohne Regen. Dafür war die Luftfeuchtigkeit unerträglich hoch. Nach dem Frühstück in unserer Lodge fuhren wir ins Centro Neotrópico Sarapiquís. Das liegt auf der Straße Richtung Ciudad Quesada, genauer in La Virgen, 17 km weg von Puerto Viejo de Sarapiquí. Wenn man im Auto sitzt, ist es noch einigermaßen erträglich, da die Klimaanlage (aire acondicionado) innerhalb zwei Minuten für fast normale Temperaturen sorgt. Die Windschutzscheibe beschlägt von außen, da die feuchtheiße Luft an der gekühlten Scheibe kondensiert. Schnell ist ein kühles Raumklima erreicht. Wenn man jetzt nicht zurückregelt, friert es einen sogar. Aber sobald man die Wagentür öffnet, holt einen die Wirklichkeit mit einem Faustschlag ein. Wir kommen in La Virgen an. Das Centro Neotrópico ist eine große Anlage mit botanischem Garten, einem Museum für indigene Kultur sowie einer kleinen aber sehr gepflegten Lodge. In Costa Rica gab es vor der Eroberung acht indigene Volksstämme, von denen ein paar bis heute ihre Sprache und in geringem Umfang auch ihre Kultur beibehalten konnten. Insgesamt leben heute ca. 35.000 Indigene in Costa Rica. Wir lernen die Lehren ihrer Schamanen kennen, den Gebrauch der Heilhölzer (ca 1 m lange, 8 cm dicke und bemalte Holzknüppel), Heilkräute, ihre rituellen Tänze. Wir schauen uns noch den botanischen Garten an. Am meisten interessieren mich die Kräuter, die hier viel intensiver duften als bei uns. Wilde Pfefferminze, Opuntie (Tuna, Nayeli aus Mexico würde sagen: Nopales), Wilder Koriander (culantro de coyote, in Ludwigsburg im Asia-Laden bei Soo-Lian als „stinking grass“ erhältlich), wilder Oregano, ein ganz toll riechender Rosmarin. Da war zwar ein Schild mit „Breitwegerich“ dran (plantaga mayor), aber die Gringo-Touristen hätte das eh nicht interessiert. Unter anderem gibt es hier noch Kakaobäume und einen Cas-Baum. Cas (psydium friedrichsthalianum) wird hier in Costa Rica gerne als refresco natural getrunken. Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, wird für ein refresco frisches Obst mit Wasser oder Milch im Mixer püriert. Das ganze noch etwas gezuckert und mit Eiswürfeln serviert. Wir fahren nach Puerto Viejo de Sarapiquí. Im Supermarkt La Viña, keine 100 m von Yader und Pattis Häuschen, kaufen wir Teigwaren, Thunfisch, Kapern, Tomaten, Koriander. Patti hat heute ihren ersten Tag in der Schule und wir wollen ihr ein Mittagessen bereiten. Im Haus treffen wir auf Johannes, der gerade einen großen Krug Tamarindengetränk bereitet. Doppelte Menge Tamarinde, damit es auch richtig fruchtig schmeckt. Wir essen, Patti muss noch Ausdrucke für die Schule machen, ich bringe Johannes und Katharina (die andere Freiwillige) nach Chilamate, komme zurück und wir fahren in unsere Lodge. Zwischenzeitlich ist es so heiß, dass es kaum mehr erträglich ist. Man hört wieder das Avioneta, das die Plantagen besprüht. Es fliegt knapp über den Plantagen, zieht dann steil hoch, um in einer engen Kurve zu wenden. Dann stürzt es wieder in den Tiefflug. Wir hören ein Gewitter. Man sieht Blitze. Der Donner wird immer lauter. Der Regen bleibt diesmal jedoch aus. Wir fahren noch zu Patrizia. Yader ist zwischenzeitlich von seinem Seminar zurück. Wir machen wieder Tomatensalat sowie Nudeln mit Rührei. Johannes hat eine Guacamole püriert, die wir als Vorspeise mit Maiskräckern dippen. Wir sprechen über die Iglesia Luterana, über die Themen, die dort gerade anstehen, über das Seminar. Gegen zehn sind wir in der Lodge und die Temperatur beginnt, erträglicher zu werden.

Die Flussfahrt

Heute haben wir eine Flussfahrt unternommen. Genauer gesagt war es eine zoologisch-botanische Exkursion. Wir mussten bereits um 9 Uhr an der Anlegestelle sein, da um diese Zeit mehr Tiere zu beobachten sind als am Mittag. Außer uns war noch ein Paar aus der Schweiz mit dabei. Die restlichen Sitzplätze blieben leer, und das war gut so. Der Bootsführer musste nicht laut sprechen, da wir direkt hinter ihm saßen und so konnten wir eine Vielzahl an Tieren beobachten. Zuerst ging’s ein Stückchen flussabwärts Richtung Río San Juan. In der Nähe des Badeplatzes sahen wir einige Affen in den Bäumen klettern. Es waren Brüllaffen, am dunklen Fell sehr gut erkennbar. An einem Baumstamm hingen Fledermäuse, eine ziemlich kleinwüchsige Art, fast so klein wie Schmetterlinge. Dann fuhren wir wieder flussaufwärts. Es ging in einen Nebenfluss hinein. Die Ufer waren dicht bewachsen. Kakaobäume, wilde Bananen, den geschützten Bergmandelbaum, Brotfruchtbäume. Und wieder viele Tiere. Es gibt hier auf dichtestem Raum über hundert Vogelarten. Wir sahen viele Eisvögel, Reiherarten, den „Schlangenhalsvogel“ Anhinga, der so heißt, weil beim Schwimmen nur sein langer Hals und der Kopf aus dem Wasser taucht. Jedes Mal, wenn der Bootsführer ein Tier erspähte, fuhr er ganz dicht ans Ufer, damit wir es aus nächster Nähe betrachten konnten. Wir sehen große, ausgewachsene Leguane, die kleineren Basilisken und drei Kaimane, denen wir uns jedes Mal bis fast auf einen Meter nähern können. Dass die Tiere hier so dicht aufeinander leben, dass sie sich beinahe auf die Füße treten, ist erstaunlich. Aber die Kaimane gehen mir noch durch den Kopf: warum baden die Kinder jeden Tag im Fluss, wenn es so viele Kaimane gibt? „Die essen nur Fische“, sagt unser Bootsführer. Hoffentlich wissen die Kaimane das auch.

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Am Nachmittag nehmen wir Patti mit in unsere Lodge, damit sie sich in dem kleinen Jacuzzi ohne Kaimane erfrischen konnte. Abends bereitet uns Idiana, die Köchin, ein Essen aus gebratenen Fischstücken, Gemüse und Salat. Dazu gibt es einen großen Krug Carambolasaft, frisch gepresst aus Früchten aus dem Garten. Wir bringen Patti zurück nach Puerto Viejo, denn morgen ist ihr erster Tag an der Schule.

Sonnenschein im Regenwald

Als ich aufwache, höre ich keinen Regen. Nur das Vogelgezwitscher. Ich schaue hinaus. Noch ist es etwas dämmerig und diesig. Es wird ein schöner und sonniger Tag. Nach so viel Regen die letzte Zeit freut man sich auf die Sonne. Nach dem Frühstück schaue ich mir die Umgebung unserer Lodge an. Ich gehe ans Flussufer. Es ist kaum zu glauben: das Hochwasser ist weg. Von jetzt auf nachher. Der Sarapiquí hat eine starke Strömung. Vor zwei Tagen noch war der Fluss über die Ufer getreten und hat weite Teile überschwemmt. Jetzt ist der Wasserstand um mehrere Meter gefallen. Die Schiffslände am alten Bananenhafen, die komplett unter Wasser lag, ist jetzt wieder frei. Wir werden heute einen Ausruhetag einlegen.

Abschiedsfrühstück im Centro Manú

Als wir aufwachen, scheint die Sonne. Das Centro Manú erstrahlt in der Morgensonne. Einige gehen schwimmen. Um 9 Uhr gibt es einen Obstteller und Saft. Wir unterhalten uns mit Gerti und Julio, den beiden, die in der Kapelle musiziert haben. Gerti ist aus Vorarlberg, Julio aus El Salvador. Sie leben schon einige Zeit hier in Costa Rica, haben zwei Kinder, ein schmuckes Häuschen in Santa Ana, das etwas näher am Flughafen liegt als San José. Sie bieten uns eine Übernachtung für den Tag der Abreise an. Das ist sehr praktisch, da man für die morgendlichen Flüge sonst noch vor 4 Uhr das Hotel verlassen müsste. Wir kommen auch mit anderen Gästen ins Gespräch. Man lässt den gestrigen Tag Revue passieren. Um 10 Uhr gibt es noch ein warmes Essen. Aber viel Hunger hat niemand mehr. Bevor wir abreisen, kommt die Frage: müssen wir aufräumen? Die Luftballons entfernen, die Stühle und Tische an ihren Platz bringen? Wir können alles so lassen, wie es ist. Dann geht es zurück nach Puerto Viejos de Sarapiquí. Bei Sonnenschein sieht die Landschaft gleich ganz anders aus. Kurz bevor wir den Ort erreichen, muss ich aber doch den Scheibenwischer einschalten. Das Regenzentrum des Regenwaldes ist erreicht. Abends kocht Doña Elba für uns Spaghetti mit Hühnchen. Wir gehen in den Garten, legen eine große Holzplatte über zwei Metallgestelle und haben einen Tisch, an dem alle Platz finden. Wir sind alle sehr zufrieden.

Die Hochzeitsfeier

Im Speisesaal angekommen, wurden die Vorbereitungen für das „brindis“ getroffen. Der Wein musste noch entkorkt werden. Ich hole mein schweizer Taschenmesser, denn es war sonst kein brauchbarer Korkzieher da. Ich hebe mein Glas: „Auf das Brautpaar! Und dass sie glücklich sind!“ Damit ist das Fest eröffnet. Das Essen ist schon fertig. Wir holen die bereits angerichteten Teller an der Essensausgabe ab. Hühnchen, Reis, Bohnen, Maisfladen, schwarze Bohnen, Gemüse, Tomatensalat nach der hier üblichen Art aus fein gewürfelten Tomaten mit frischem Koriander und Zitronensaft. Dann wird getanzt. Das Brautpaar beginnt mit dem Hochzeitswalzer. Danach ist die Tanzfläche freigegeben. Jetzt hält ein Kleinbus vor dem Speisesaal. Es ist das Geschenk von Yaders Kollegen. Offensichtlich ein Einlage. Aber was? Bald wissen wir mehr. Nach 5 Minuten kommt eine sechsköpfige Mariachigruppe bereits musizierend auf die Tanzfläche. Alle sind begeistert. Zwei Trompeten, Akkordeon, Gitarren, Bassgitarre. Sie spielen bekannte mexikanische Weisen. „Con dinero, sin dinero, hago siempre lo que quiero y mi palabra es la ley“ (El Rey). Las Mañanitas und andere. Als sie nach einer halben Stunde gehen, rufen alle: Zugabe. Richtig, das bekannteste Lied hat noch gefehlt: Cielito Lindo. Viele singen mit. Der Brautstrauß! Das gibt ein großes Gejohle bei den noch unverheirateten Mädchen. Alle stehen hinter Patti, hüpfen und strecken die Hände in die Luft. Der Brautstrauß fliegt gegen einen Balken und fällt auf den Boden. Alle stürzen sich drauf. Das Mädchen im gelben Kleid (ich kenne nicht alle Hochzeitsgäste) hat ihn erbeutet. Großes Gelächter. Jetzt ist Zeit für die Hochzeitstorte. Ja, wir haben die Torte heil von der Konditorei bis hierher gebracht. Ein dreistöckige Torte und obendrauf die Brautpaarfiguren. Yader und Patti schneiden die Torte an. Yader macht es sichtlich Spass. Er schiebt Patti ein kleines Stück davon in den Mund und einen Sahneklecks auf die Nase. Jetzt wird der Rest der Torte verteilt. Es bleibt noch viel übrig. Es wird noch lange getanzt. Um halb eins ist aber endgültig Schluss. Ich bin ehrlich gesagt auch hundemüde. Es war ein anstrengender Tag. Aber wunderschön. Und ich glaube den anderen ging es genauso.

Die Trauung

Jetzt ist es gleich sechs. Schnell noch meinen Fotoapparat aufs Stativ geschraubt und in die Kapelle gestellt, wo schon einige Gäste Platz genommen haben. Edgarto aus Honduras wird für mich Teile der Trauung filmen. Patti hat ihr Brautkleid angezogen. Yader darf sie erst in der Kirche sehen. Ich höre eine Violine ein paar Takte spielen. Schön, das wird eine feierliche Trauung. Nein, ich solle noch ein bisschen warten, bis alle Gäste in der Kapelle sind. Gottseidank hat es aufgehört zu regnen, das erste Mal, seit wir aus San José heraus sind. Ich warte mit Patti in einem Seitenweg, bis ich das Zeichen bekomme. Alle warten, und ich führe Patti am Arm in die Kapelle. Alle Gäste schauen auf uns. Die Geige spielt den Hochzeitsmarsch, begleitet von einer Gitarre. Dazu hört man das Gezirpe der Grillen, das zunehmend lauter wird. Ich führe Patti an den Altar und gebe ihre Hand an Yader. Es ist ein feierlicher Augenblick. Pastor Justo begrüßt die Gäste. Es werden viele Lieder gesungen, Dankeslieder, ein Halleluja, und alle singen mit. Die Lieder hier sind viel fröhlicher als bei uns. Dann bekommt das Brautpaar eine Kerze, und Pastor Justo versucht sie anzuzünden. Aber hier im Regenwald ist so etwas schwierig. Die Hölzer sind nass und gehen gleich wieder aus.  Justo wird ein bisschen nervös, doch Gerti, die Violinistin nimmt die Sache in die Hand. Als endlich die Kerze brennt, lachen alle und klatschen Beifall. Das waren die ersten Schwierigkeiten, die das Brautpaar schon bestanden hat!

 

Der Pastor segnet das Brautpaar und erklärt sie zu Mann und Frau. Dann geben sich Yader und Patrizia einen Kuss und nehmen sich in den Arm. Alle stehen auf und klatschen. Das Brautpaar setzt sich. Die Angehörigen und die Trauzeugen stellen sich hinter das Brautpaar und legen ihre Hände auf deren Schulter. Wir erhalten einen Text, den wir ablesen. Wir lesen das Friedensgebet des Heiligen Franz von Assisi. „Herr, mache unsere Kinder zu einem Werkzeug Deines Friedens.“ Dann folgt das Abendmahl. Der Pastor bricht das Brot. Dazu wird im Wechselgesang gesungen.Es folgen weitere Lieder.  Der Pastor bricht für Yader und Patti je ein kleines Stückchen Brot ab, taucht es in den Wein und gibt es ihnen. Dann gehen die Trauzeugen vor den Altar und übernehmen diese Aufgabe. Sie halten Brot und Wein und jeder bricht ein Stückchen vom Brot, taucht es in den Wein und geht an seinen Platz. „Friede sei mit Dir“, sagt der Pastor. Jeder nimmt seinen Nachbarn in den Arm und sagt „Friede sei mit Dir“. Nur seinen Nachbarn? Alle stehen auf, laufen durch die Kapelle, nehmen einander in den Arm und sagen: „Friede sei mit Dir“. Man schaut, dass man wirklich niemanden vergessen hat. Jetzt sind die Hochzeitsgäste an der Reihe etwas zu sagen. Brenda, eine der Trauzeugen, spricht viele Glückwünsche aus. Ich kann nicht alles genau verstehen, aber sie spricht voller Freude. Ich sage, dass wir dieses wunderschöne Fest an diesem herrlichen Ort feiern können, dass wir sehr zufrieden und auch stolz sind, dass Patrizia und Yader dabei sind, eine Familie zu gründen, richte Grüße aus Deutschland aus, von meinem Bruder und seiner Familie und von meinen Eltern, die leider nicht mitkommen konnten. Die Trauung ist aus. Alle stehen auf. Man stellt sich gegenseitig vor und unterhält sich. Draußen hat es wieder angefangen zu regnen. Es werden große Schirme verteilt und wir gehen zum Speisesaal, in dem dann weitergefeiert wird.