Archiv der Kategorie: Zur Hochzeit nach Costa Rica

Und wieder geht’s nach Costa Rica

Es ist soweit. Ich sitze im Zug zum Frankfurter Flughafen, um noch heute kurz vor Mitternacht Richtung Costa Rica zu fliegen. Das Reisen im ICE ist sehr angenehm. Es sind kaum Fahrgäste im Wagen. Ich sitze an einem Tisch im Großraumwagen mit Blick in Fahrtrichtung. Diesen Sitzplatz habe ich mir bereits beim Ticketkauf reservieren lassen. Die Strecke nach Mannheim ist für höhere Geschwindigkeiten ausgelegt. Die Landschaft draußen zieht dementsprechend schnell vorbei.

Das Einchecken am Schalter in Frankfurt geht zügig. Ich muss meine Buchungsbestätigung vorlegen, um nachzuweisen, dass ich auch einen Rückflug gebucht habe. Dies gehört zu den Einreisebestimmungen.

Im Flugzeug sitze ich am Fenster. Neben mir sitzt ein Rentner aus Hamburg, der Costa Rica auf eigene Faust erkunden will. Ganz ohne Spanischkenntnisse und geringen Englischkenntnissen will er die interessantesten Plätze von Costa Rica besuchen. Er erzählt mir von der total abgelegenen Rara Avis Lodge, die nur nach dreistündiger Traktorfahrt von Las Horquetas aus zu erreichen ist. Außerdem erfahre ich, was die Plástico Lodge früher einmal war: ein Strafgefangenenlager. Die Sträflinge hatten dort nicht einmal Unterkünfte. Sie mussten direkt auf dem Boden schlafen und hatten lediglich einen Plastiksack, um sich vor dem Regen zu schützen. Plástico Lodge war also ein ironischer Name für einen Ort, an den niemand freiwillig hinging.

Die Zwischenlandung in Santo Domingo wird von einem Gewitter begleitet, das Gott sei Dank weit genug weg ist und somit keine Gefahr für eine sichere Landung darstellt. Aber es ist sehr beeindruckend wie die Blitze aus dem Nachthimmel auf das darunterliegende Land heruntersausen. Nach fast zwei Stunden Aufenthalt im Flughafen dämmert es bereits, als die Maschine Richtung Costa Rica abhebt.

Straßenzug in San José

Der Anflug auf Costa Rica ist sehr eindrucksvoll. Man sieht die Karibikküste mit dem weißen Brandungsstreifen, die bewaldeten Bergrücken mit den vielen Dörfern. Dann wird die Gegend wieder flacher und bald befinden wir uns über der Pazifikküste. So ein winziges Land! Ich sehe zwei braune Flüsschen, die in den Pazifik münden. Die Betonbrücke am Unterlauf: das muss die Brücke über den Río Tárcoles sein, unter der immer Krokodile liegen, die man natürlich jetzt aus dieser Höhe nicht erkennen kann. Ich sehe die neue Autobahn, die nach Caldera führt und die schon wenige Monate nach Eröffnung gesperrt werden musste, da (wie auf der Straße durch den Braulio Carrillo) immer wieder Erdrutsche die Straße unpassierbar machten. Jetzt sieht man schon die Außenbezirke der Stadt, flache Hütten mit Wellblechdächern. Das sind jedoch keine Slums. Es ist hier eine gängige Bauweise. Erst wenn auch die Wände aus Wellblech sind, keine Straßen durch das Viertel führen und das Ganze zudem noch illegal auf einem für Investoren uninteressanten Stück Land errichtet wurde, dann spricht man von einem precario.

Die Passkontrolle in dem neu errichteten Teil des Flughafens ist bei Weitem nicht mehr so chaotisch, wie ich es bisher gewohnt war. Ich nehme ein Taxi zum Busbahnhof Caribe. Dort muss ich allerdings noch über drei Stunden warten, bis ein Bus nach Sarapiquí fährt. Zur Zeit ist die Strecke vormittags gesperrt, damit die Ingenieure Vermessungsarbeiten durchführen können, um künftige Erdrutsche besser vorhersagen zu können. Endlich bin ich im Bus. Obwohl ich mich sehr zeitig in der Warteschlange angestellt habe, bekomme ich keinen Sitzplatz mehr. Aber wahrscheinlich haben viele nicht einmal mehr ein Ticket bekommen. Zumindest nicht für diesen Bus, die erste Fahrt dieses Tages.

Es ist sehr viel Verkehr. Dann stoppt es ganz. Wir sind noch nicht mal an der Mautstation, sondern immer noch in der Ebene, in der Nähe des Restaurants Las Orquídeas. Dann hört man Schreie im vorderen Teil des Buses. Ein Fahrgast schreit seinen Sitznachbarn an. Ich höre Schimpfworte. Dann schlägt er auf den anderen ein. Immer wieder. Ein Raunen geht durch den Bus. Die Leute stehen auf. Ein muskulöser junger Mann aus der hintersten Reihe geht nach vorn, trennt die beiden und geht mit ihnen nach außen. Als die Fahrt nach einer halben Stunde weiter geht, sitzt der Schläger auf dem Boden neben dem Fahrer während der Geschlagene seinen Sitzplatz einnimmt. Die Leute um mich herum erklären mir, dass so etwas unüblich für Costa Rica ist. Sie wollen nicht, dass Fremde einen schlechten Eindruck von ihrem Land bekommen. So komme ich in ein Gespräch, das die Fahrt kurzweiliger macht. Nach einer halben Stunde wieder Stau. Irgendwann fährt ein Krankenwagen vorbei. Dann noch einer. Ein Unfall also. Das war doch alles schon mal da. Nach einer weiteren halben Stunde fahren wir am Unfallfahrzeug vorbei. Ein großer Sattelzug liegt auf der Seite. Die Windschutzscheibe ist kaputt. Nach kurzem Aufenthalt an der Raststätte am Straßendreieck, wo die Straße Nr. 4 nach Ciudad Quesada (und natürlich nach Sarapiquí) abgeht, erreiche ich Puerto Viejo.

Wieder bei Regen durch den Braulio Carrillo

Fußballplatz und Kirche in Puerto ViejoNach dem Frühstück in der Lodge heißt es auschecken. Wir haben aber noch ausreichen Zeit, das Gepäck umzupacken. Wir haben vor noch nach nach Nicaragua zu fahren und wollen unsere Koffer solange bei Yader und Patti lassen. So packen wir die Sachen für die drei Tage in einen großen Rucksack. Plötzlich ist der Strom weg. Ich bin froh, dass ich noch vor dem Frühstück geduscht habe, denn wegen des Stromausfalls gibt es auch kein Wasser. Als wir um die Mittagszeit nach Puerto Viejo kommen, ist dort ebenfalls Stromausfall. Patti kommt von der Schule. Wir wollen etwas kochen, aber der Herd geht ja auch nicht. So beschließen wir heute im Bamboo zu essen. Zurück im Haus verabschieden wir uns. hier wohnen Patti und YaderUm zwei muss Patti wieder zur Schule. Doch bevor wir losgefahren sind, kommt Patti wieder zurück. Heute mittag ist schulfrei wegen des Stromausfalls, obwohl seit einer halben Stunden wieder Strom da ist. Ja, die Schulen in Costa Rica, darüber könnte man einen eigenen Artikel schreiben. Vor allem die Pädagogik hat mit dem, was wir in Deutschland kennen, recht wenig zu tun. Aber Patti wird darüber sicherlich einiges in ihrem Praktikumsbericht schreiben. Bei strömenden Regen fahren wir los. Kurz vor der Einmündung auf die Carretera 32 passieren wir die Brücke über den Río Chirripó.

Es ist beeindruckend, welche immensen Wassermassen hier durch das Flussbett stürzen. Der Río Chirripó ist einer der Flüsse, die den Regenwald-Nationalpark Braulio Carrillo entwässern. Sobald es hier regnet, verwandelt sich der Fluss in kürzester Zeit in einen reißenden Strom. Ich stelle das Auto ab und laufe mit Regenschirm und Digitalcamera zur Brücke zurück, um ein paar Clips von diesem Schauspiel zu drehen.  Als wir dann auf der Carretera 32 sind, schaffen die Scheibenwischer (gesichert mit dem Stückchen Tempo) kaum mehr die Wassermassen. In San José angekommen, suchen wir die Mietwagenfirma, tanken nochmals voll und lassen uns den Weg dorthin erklären. Die Mitarbeiter von Adobe sind sehr erfreut: wir sind sorgsam mit dem Fahrzeug umgegangen. Wir fragen nach einem Taxi zum Hotel Posada del Museo. Taxi? In 10 Minuten muss sowie ein Mitarbeiter dort in diese Gegend und wir können mitfahren. im Hotel Posada del MuseoEs ist Don Rafael, der uns gleich freundlich begrüßt und uns nach der Hochzeit fragt. Die Leute hier sind sehr freundlich und erinnern sich auch noch nach Tagen an einen und was man mit ihnen geredet hat. Das Hotel Posada del Museo liegt direkt am Nationalmuseum, Ecke Boulevard und Avenida Segunda. Die Avenida Segunda ist eine sehr stark befahrene Straße, da sie die Hauptausfallstraße zur Fuente de la Hispanidad und nach Cartago ist. Dafür ist das Hotel sehr schön. Ein mehrstöckiges, über 100 Jahre altes Holzhaus, ganz im Kolonialstil gehalten. Fast alles ist noch original, aber sauber gepflegt und erhalten.

Centro Neotrópico Sarapiquís

Heute war ein sehr heißer Tag. Und wieder ganz ohne Regen. Dafür war die Luftfeuchtigkeit unerträglich hoch. Nach dem Frühstück in unserer Lodge fuhren wir ins Centro Neotrópico Sarapiquís. Das liegt auf der Straße Richtung Ciudad Quesada, genauer in La Virgen, 17 km weg von Puerto Viejo de Sarapiquí. Wenn man im Auto sitzt, ist es noch einigermaßen erträglich, da die Klimaanlage (aire acondicionado) innerhalb zwei Minuten für fast normale Temperaturen sorgt. Die Windschutzscheibe beschlägt von außen, da die feuchtheiße Luft an der gekühlten Scheibe kondensiert. Schnell ist ein kühles Raumklima erreicht. Wenn man jetzt nicht zurückregelt, friert es einen sogar. Aber sobald man die Wagentür öffnet, holt einen die Wirklichkeit mit einem Faustschlag ein. Wir kommen in La Virgen an. Das Centro Neotrópico ist eine große Anlage mit botanischem Garten, einem Museum für indigene Kultur sowie einer kleinen aber sehr gepflegten Lodge. In Costa Rica gab es vor der Eroberung acht indigene Volksstämme, von denen ein paar bis heute ihre Sprache und in geringem Umfang auch ihre Kultur beibehalten konnten. Insgesamt leben heute ca. 35.000 Indigene in Costa Rica. Wir lernen die Lehren ihrer Schamanen kennen, den Gebrauch der Heilhölzer (ca 1 m lange, 8 cm dicke und bemalte Holzknüppel), Heilkräute, ihre rituellen Tänze. Wir schauen uns noch den botanischen Garten an. Am meisten interessieren mich die Kräuter, die hier viel intensiver duften als bei uns. Wilde Pfefferminze, Opuntie (Tuna, Nayeli aus Mexico würde sagen: Nopales), Wilder Koriander (culantro de coyote, in Ludwigsburg im Asia-Laden bei Soo-Lian als „stinking grass“ erhältlich), wilder Oregano, ein ganz toll riechender Rosmarin. Da war zwar ein Schild mit „Breitwegerich“ dran (plantaga mayor), aber die Gringo-Touristen hätte das eh nicht interessiert. Unter anderem gibt es hier noch Kakaobäume und einen Cas-Baum. Cas (psydium friedrichsthalianum) wird hier in Costa Rica gerne als refresco natural getrunken. Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, wird für ein refresco frisches Obst mit Wasser oder Milch im Mixer püriert. Das ganze noch etwas gezuckert und mit Eiswürfeln serviert. Wir fahren nach Puerto Viejo de Sarapiquí. Im Supermarkt La Viña, keine 100 m von Yader und Pattis Häuschen, kaufen wir Teigwaren, Thunfisch, Kapern, Tomaten, Koriander. Patti hat heute ihren ersten Tag in der Schule und wir wollen ihr ein Mittagessen bereiten. Im Haus treffen wir auf Johannes, der gerade einen großen Krug Tamarindengetränk bereitet. Doppelte Menge Tamarinde, damit es auch richtig fruchtig schmeckt. Wir essen, Patti muss noch Ausdrucke für die Schule machen, ich bringe Johannes und Katharina (die andere Freiwillige) nach Chilamate, komme zurück und wir fahren in unsere Lodge. Zwischenzeitlich ist es so heiß, dass es kaum mehr erträglich ist. Man hört wieder das Avioneta, das die Plantagen besprüht. Es fliegt knapp über den Plantagen, zieht dann steil hoch, um in einer engen Kurve zu wenden. Dann stürzt es wieder in den Tiefflug. Wir hören ein Gewitter. Man sieht Blitze. Der Donner wird immer lauter. Der Regen bleibt diesmal jedoch aus. Wir fahren noch zu Patrizia. Yader ist zwischenzeitlich von seinem Seminar zurück. Wir machen wieder Tomatensalat sowie Nudeln mit Rührei. Johannes hat eine Guacamole püriert, die wir als Vorspeise mit Maiskräckern dippen. Wir sprechen über die Iglesia Luterana, über die Themen, die dort gerade anstehen, über das Seminar. Gegen zehn sind wir in der Lodge und die Temperatur beginnt, erträglicher zu werden.

Die Flussfahrt

Heute haben wir eine Flussfahrt unternommen. Genauer gesagt war es eine zoologisch-botanische Exkursion. Wir mussten bereits um 9 Uhr an der Anlegestelle sein, da um diese Zeit mehr Tiere zu beobachten sind als am Mittag. Außer uns war noch ein Paar aus der Schweiz mit dabei. Die restlichen Sitzplätze blieben leer, und das war gut so. Der Bootsführer musste nicht laut sprechen, da wir direkt hinter ihm saßen und so konnten wir eine Vielzahl an Tieren beobachten. Zuerst ging’s ein Stückchen flussabwärts Richtung Río San Juan. In der Nähe des Badeplatzes sahen wir einige Affen in den Bäumen klettern. Es waren Brüllaffen, am dunklen Fell sehr gut erkennbar. An einem Baumstamm hingen Fledermäuse, eine ziemlich kleinwüchsige Art, fast so klein wie Schmetterlinge. Dann fuhren wir wieder flussaufwärts. Es ging in einen Nebenfluss hinein. Die Ufer waren dicht bewachsen. Kakaobäume, wilde Bananen, den geschützten Bergmandelbaum, Brotfruchtbäume. Und wieder viele Tiere. Es gibt hier auf dichtestem Raum über hundert Vogelarten. Wir sahen viele Eisvögel, Reiherarten, den „Schlangenhalsvogel“ Anhinga, der so heißt, weil beim Schwimmen nur sein langer Hals und der Kopf aus dem Wasser taucht. Jedes Mal, wenn der Bootsführer ein Tier erspähte, fuhr er ganz dicht ans Ufer, damit wir es aus nächster Nähe betrachten konnten. Wir sehen große, ausgewachsene Leguane, die kleineren Basilisken und drei Kaimane, denen wir uns jedes Mal bis fast auf einen Meter nähern können. Dass die Tiere hier so dicht aufeinander leben, dass sie sich beinahe auf die Füße treten, ist erstaunlich. Aber die Kaimane gehen mir noch durch den Kopf: warum baden die Kinder jeden Tag im Fluss, wenn es so viele Kaimane gibt? „Die essen nur Fische“, sagt unser Bootsführer. Hoffentlich wissen die Kaimane das auch.

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Am Nachmittag nehmen wir Patti mit in unsere Lodge, damit sie sich in dem kleinen Jacuzzi ohne Kaimane erfrischen konnte. Abends bereitet uns Idiana, die Köchin, ein Essen aus gebratenen Fischstücken, Gemüse und Salat. Dazu gibt es einen großen Krug Carambolasaft, frisch gepresst aus Früchten aus dem Garten. Wir bringen Patti zurück nach Puerto Viejo, denn morgen ist ihr erster Tag an der Schule.

Sonnenschein im Regenwald

Als ich aufwache, höre ich keinen Regen. Nur das Vogelgezwitscher. Ich schaue hinaus. Noch ist es etwas dämmerig und diesig. Es wird ein schöner und sonniger Tag. Nach so viel Regen die letzte Zeit freut man sich auf die Sonne. Nach dem Frühstück schaue ich mir die Umgebung unserer Lodge an. Ich gehe ans Flussufer. Es ist kaum zu glauben: das Hochwasser ist weg. Von jetzt auf nachher. Der Sarapiquí hat eine starke Strömung. Vor zwei Tagen noch war der Fluss über die Ufer getreten und hat weite Teile überschwemmt. Jetzt ist der Wasserstand um mehrere Meter gefallen. Die Schiffslände am alten Bananenhafen, die komplett unter Wasser lag, ist jetzt wieder frei. Wir werden heute einen Ausruhetag einlegen.

Abschiedsfrühstück im Centro Manú

Als wir aufwachen, scheint die Sonne. Das Centro Manú erstrahlt in der Morgensonne. Einige gehen schwimmen. Um 9 Uhr gibt es einen Obstteller und Saft. Wir unterhalten uns mit Gerti und Julio, den beiden, die in der Kapelle musiziert haben. Gerti ist aus Vorarlberg, Julio aus El Salvador. Sie leben schon einige Zeit hier in Costa Rica, haben zwei Kinder, ein schmuckes Häuschen in Santa Ana, das etwas näher am Flughafen liegt als San José. Sie bieten uns eine Übernachtung für den Tag der Abreise an. Das ist sehr praktisch, da man für die morgendlichen Flüge sonst noch vor 4 Uhr das Hotel verlassen müsste. Wir kommen auch mit anderen Gästen ins Gespräch. Man lässt den gestrigen Tag Revue passieren. Um 10 Uhr gibt es noch ein warmes Essen. Aber viel Hunger hat niemand mehr. Bevor wir abreisen, kommt die Frage: müssen wir aufräumen? Die Luftballons entfernen, die Stühle und Tische an ihren Platz bringen? Wir können alles so lassen, wie es ist. Dann geht es zurück nach Puerto Viejos de Sarapiquí. Bei Sonnenschein sieht die Landschaft gleich ganz anders aus. Kurz bevor wir den Ort erreichen, muss ich aber doch den Scheibenwischer einschalten. Das Regenzentrum des Regenwaldes ist erreicht. Abends kocht Doña Elba für uns Spaghetti mit Hühnchen. Wir gehen in den Garten, legen eine große Holzplatte über zwei Metallgestelle und haben einen Tisch, an dem alle Platz finden. Wir sind alle sehr zufrieden.

Die Hochzeitsfeier

Im Speisesaal angekommen, wurden die Vorbereitungen für das „brindis“ getroffen. Der Wein musste noch entkorkt werden. Ich hole mein schweizer Taschenmesser, denn es war sonst kein brauchbarer Korkzieher da. Ich hebe mein Glas: „Auf das Brautpaar! Und dass sie glücklich sind!“ Damit ist das Fest eröffnet. Das Essen ist schon fertig. Wir holen die bereits angerichteten Teller an der Essensausgabe ab. Hühnchen, Reis, Bohnen, Maisfladen, schwarze Bohnen, Gemüse, Tomatensalat nach der hier üblichen Art aus fein gewürfelten Tomaten mit frischem Koriander und Zitronensaft. Dann wird getanzt. Das Brautpaar beginnt mit dem Hochzeitswalzer. Danach ist die Tanzfläche freigegeben. Jetzt hält ein Kleinbus vor dem Speisesaal. Es ist das Geschenk von Yaders Kollegen. Offensichtlich ein Einlage. Aber was? Bald wissen wir mehr. Nach 5 Minuten kommt eine sechsköpfige Mariachigruppe bereits musizierend auf die Tanzfläche. Alle sind begeistert. Zwei Trompeten, Akkordeon, Gitarren, Bassgitarre. Sie spielen bekannte mexikanische Weisen. „Con dinero, sin dinero, hago siempre lo que quiero y mi palabra es la ley“ (El Rey). Las Mañanitas und andere. Als sie nach einer halben Stunde gehen, rufen alle: Zugabe. Richtig, das bekannteste Lied hat noch gefehlt: Cielito Lindo. Viele singen mit. Der Brautstrauß! Das gibt ein großes Gejohle bei den noch unverheirateten Mädchen. Alle stehen hinter Patti, hüpfen und strecken die Hände in die Luft. Der Brautstrauß fliegt gegen einen Balken und fällt auf den Boden. Alle stürzen sich drauf. Das Mädchen im gelben Kleid (ich kenne nicht alle Hochzeitsgäste) hat ihn erbeutet. Großes Gelächter. Jetzt ist Zeit für die Hochzeitstorte. Ja, wir haben die Torte heil von der Konditorei bis hierher gebracht. Ein dreistöckige Torte und obendrauf die Brautpaarfiguren. Yader und Patti schneiden die Torte an. Yader macht es sichtlich Spass. Er schiebt Patti ein kleines Stück davon in den Mund und einen Sahneklecks auf die Nase. Jetzt wird der Rest der Torte verteilt. Es bleibt noch viel übrig. Es wird noch lange getanzt. Um halb eins ist aber endgültig Schluss. Ich bin ehrlich gesagt auch hundemüde. Es war ein anstrengender Tag. Aber wunderschön. Und ich glaube den anderen ging es genauso.

Die Trauung

Jetzt ist es gleich sechs. Schnell noch meinen Fotoapparat aufs Stativ geschraubt und in die Kapelle gestellt, wo schon einige Gäste Platz genommen haben. Edgarto aus Honduras wird für mich Teile der Trauung filmen. Patti hat ihr Brautkleid angezogen. Yader darf sie erst in der Kirche sehen. Ich höre eine Violine ein paar Takte spielen. Schön, das wird eine feierliche Trauung. Nein, ich solle noch ein bisschen warten, bis alle Gäste in der Kapelle sind. Gottseidank hat es aufgehört zu regnen, das erste Mal, seit wir aus San José heraus sind. Ich warte mit Patti in einem Seitenweg, bis ich das Zeichen bekomme. Alle warten, und ich führe Patti am Arm in die Kapelle. Alle Gäste schauen auf uns. Die Geige spielt den Hochzeitsmarsch, begleitet von einer Gitarre. Dazu hört man das Gezirpe der Grillen, das zunehmend lauter wird. Ich führe Patti an den Altar und gebe ihre Hand an Yader. Es ist ein feierlicher Augenblick. Pastor Justo begrüßt die Gäste. Es werden viele Lieder gesungen, Dankeslieder, ein Halleluja, und alle singen mit. Die Lieder hier sind viel fröhlicher als bei uns. Dann bekommt das Brautpaar eine Kerze, und Pastor Justo versucht sie anzuzünden. Aber hier im Regenwald ist so etwas schwierig. Die Hölzer sind nass und gehen gleich wieder aus.  Justo wird ein bisschen nervös, doch Gerti, die Violinistin nimmt die Sache in die Hand. Als endlich die Kerze brennt, lachen alle und klatschen Beifall. Das waren die ersten Schwierigkeiten, die das Brautpaar schon bestanden hat!

 

Der Pastor segnet das Brautpaar und erklärt sie zu Mann und Frau. Dann geben sich Yader und Patrizia einen Kuss und nehmen sich in den Arm. Alle stehen auf und klatschen. Das Brautpaar setzt sich. Die Angehörigen und die Trauzeugen stellen sich hinter das Brautpaar und legen ihre Hände auf deren Schulter. Wir erhalten einen Text, den wir ablesen. Wir lesen das Friedensgebet des Heiligen Franz von Assisi. „Herr, mache unsere Kinder zu einem Werkzeug Deines Friedens.“ Dann folgt das Abendmahl. Der Pastor bricht das Brot. Dazu wird im Wechselgesang gesungen.Es folgen weitere Lieder.  Der Pastor bricht für Yader und Patti je ein kleines Stückchen Brot ab, taucht es in den Wein und gibt es ihnen. Dann gehen die Trauzeugen vor den Altar und übernehmen diese Aufgabe. Sie halten Brot und Wein und jeder bricht ein Stückchen vom Brot, taucht es in den Wein und geht an seinen Platz. „Friede sei mit Dir“, sagt der Pastor. Jeder nimmt seinen Nachbarn in den Arm und sagt „Friede sei mit Dir“. Nur seinen Nachbarn? Alle stehen auf, laufen durch die Kapelle, nehmen einander in den Arm und sagen: „Friede sei mit Dir“. Man schaut, dass man wirklich niemanden vergessen hat. Jetzt sind die Hochzeitsgäste an der Reihe etwas zu sagen. Brenda, eine der Trauzeugen, spricht viele Glückwünsche aus. Ich kann nicht alles genau verstehen, aber sie spricht voller Freude. Ich sage, dass wir dieses wunderschöne Fest an diesem herrlichen Ort feiern können, dass wir sehr zufrieden und auch stolz sind, dass Patrizia und Yader dabei sind, eine Familie zu gründen, richte Grüße aus Deutschland aus, von meinem Bruder und seiner Familie und von meinen Eltern, die leider nicht mitkommen konnten. Die Trauung ist aus. Alle stehen auf. Man stellt sich gegenseitig vor und unterhält sich. Draußen hat es wieder angefangen zu regnen. Es werden große Schirme verteilt und wir gehen zum Speisesaal, in dem dann weitergefeiert wird.

Letzte Vorbereitungen

Jetzt müssen wir so langsam in die Hufe kommen. Wir frühstücken wieder unter dem großen Dach, von wo man einen schönen Blick über die Anlage hat. Nach dem Frühstück in unserer Lodge fahren wir zu Yader und Patti. Dort treffen wir auch auf Doña Elba, Ana und Ashley, die ja gestern angekommen sind. Jetzt wieder die Frage: wer fährt mit und wer nimmt den Bus? Yader und Feli nehmen den Bus, wir anderen fahren mit dem Auto los. Zuerst müssen wir noch nach Guápiles, die Blumen abholen. Dann zum Centro Manú. Im Speisesaal sind schon die Tische und Stühle auf gestellt. In der Kapelle sind die Stühle noch gestapelt. Jetzt müssen die Tischgestecke gefertigt werden. Wir haben ja Blumen ohne Ende. Das reicht sogar noch für ein großes Gesteck auf den Altar. Jemand hat Luftballons besorgt, weiße mit der Aufschrift „Unsere Hochzeit“. Die müssen noch aufgeblasen werden, um damit den Speisesaal zu schmücken. Jetzt hat das Vorbereitungsteam ein Essen verdient. Wir warten noch, bis Yader und Feli da sind, damit wir gemeinsam essen können. Ich ruhe mich noch ein bisschen aus, während viele fleißige Hände mit dem Schmücken weiter machen. Wir haben ja noch Zeit. Wirklich? Um 15 Uhr hat Patti einen Friseurtermin und die Torte muss auch noch abgeholt werden. Also, rein ins Auto, die Hoppelstrecke zur Carretera und nach Guápiles düsen. Zwischenzeitlich weiß ich, wo ich abbiegen muss. Mein Handy klingelt. Eine SMS aus Deutschland. Christoph aus Mössingen schickt seine Glückwünsche. Jetzt zum Friseur. Patti nimmt Platz, während ich mit Ana und Feli warte. Beide wollen sich auch noch frisieren lassen. Ich schaue mir noch etwas das Stadtviertel an. Viele Läden, aber es gibt auch einen Park. Die Torte! Wir dürfen die Torte nicht vergessen. Unser Zeitplan ist sehr knapp. Ich warte, bis Feli beim Friseur fertig ist und nehme sie mit in die Konditorei La Nonna. Wir müssen etwas warten. Dann kommt die Torte. Drei Etagen. Aber noch „demontiert“. Im unteren und mittleren Teil stecken jeweils drei Sektgläser, verkehrt herum. Wir stellen die drei Teile in den Kofferraum und fahren vorsichtig zurück zum Friseur. Wie können wir die Torte über die Holperstrecke retten? Ana, Feli und Patti müssen je ein Teil während der Fahrt halten. Auf dem obersten Teil sind die Brautpaarfiguren. Die wackeln ganz schön, als wir die Holperstrecke passieren. Jetzt noch die drei „policías muertos“ (Hindernisschwellen) überwinden. Als wir im Centro Manú ankommen, ist es schon fünf vor halb sechs. Die Hektik nimmt zu. Ich habe kein Zeit mehr, mich zu duschen.

Vorbereitungen für den großen Tag

Es ist der zweite Tag im Regenwald und der Tag vor dem großen Fest. Als ich morgens aufwache (meine innere Uhr geht immer noch nach deutscher Zeit), fängt es wieder an zu regnen. Heute nacht war für ein paar Stunden Ruhe mit Regengeprassel, aber jetzt geht es wieder los. Unsere Lodge besteht aus Cabañas, die in einem fast geschlossenen Kreis um eine Grünfläche herum gruppiert sind. Die Lodge wirbt um Gäste, die sich für Vogelbeobachtung interessieren. Deshalb ist in der Mitte der Grünfläche ein Fütterungsplatz für Vögel errichtet. Die Besitzer legen dort jeden Tag frisches Obst aus, und die unterschiedlichsten meist bunten Vögel holen sich ihren Anteil. Wir frühstücken unter einem großen Dach in der Nähe der Rezeption. Es gibt einen Riesenteller mit frischem Obst, Kaffee (leider nicht so aromatisch wie in San José) und das obligatorische Gallo Pinto. Viel Zeit haben wir nicht, denn um neun wollen wir wieder bei Yader und Patrizia sein. Durch den Wald vor zur Straße, Richtung Sarapiquí am (überfluteten) Fußballplatz rechts abbiegen, die nächste wieder links, ein Häuschen der Anonymen Alkoholiker, die katholische Kirche, die Schule, die mit ihren hellgrünen Baracken und ihren hohen Maschendrahtzäunen -Entschuldigung- ein bisschen an Guantánamo erinnert und das nächste Haus ist schon das Pfarrhaus. Wir sitzen alle am Küchentisch und besprechen, wie es weitergeht. Da wir kein Gepäck mehr im Auto haben, können wir alle fünf mitfahren. Es regnet immer noch. Es ist unglaublich. Dabei ist jetzt eigentlich Trockenzeit. Aber hier in Sarapiquí gibt es nie Trockenzeit. Während sich in San José die Leute jeden Tag über Sonne und 30° freuen können, schwimmen hier die Häuser fast davon. Außerhalb der Stadt haben wir sogar Häuser auf Stelzen gesehen. Man ist eigentlich immer nass. Vom Auto ins Lokal die paar Meter reichen manchmal, um nass zu werden und nasse Füße gehören hier zum Alltag. Viele tragen deshalb Flipflops.  Kalt ist es nie, die 30° gibt es auch hier, es sind aber nasse 30°. Wir fahren also wieder die Landstraße vor bis zur Carretera 32, biegen aber jetzt ab in Richtung Limón. Wieder viel Verkehr. Wir passieren den Río Corinto, den Río Costa Rica, den Río Blanco, das Flüsschen Río Danta. Schließlich geht es über eine große Brücke, die das breite Flussbett des Río Toro Amarillo überspannt. Irgendwann geht es links ab nach Guápiles. Guápiles ist ebenfalls ein Zentrum hier in der Gegend, hat aber leider nicht den Flair von Sarapiquí. In der ganzen Stadt sieht man vor lauter Reklametafeln und Transparenten die Ladengeschäfte nicht mehr. Zwei zweispurige Einbahnstraßen zerteilen die Stadt und erschweren es uns, den Konditor zu finden, bei dem wir die Hochzeitstorte bestellen wollen. Endlich, nachdem wir uns erkundigt haben, finden wir die Bäckerei. Die Verkäuferinnen rufen den Konditor. Er kommt mit einem Katalog und einem Block Papier, auf dem er aufzeichnet, wie man die einzelnen Etagen der Torte zusammensetzt. Die drei Teile werden einzeln gefertigt. Danach wird mit umgedrehten Sektgläsern das Ganze aufgebaut. Welche Creme kommt noch hinein, damit das Ganze nicht zu trocken wird? Dulce de leche (gezuckerte und karamelisierte Kondensmilch), Erdbeer-, Pfirsich und Birnencreme oder Crème Chantilly. Wir entscheiden uns für Crème Chantilly, vereinbaren 15 Uhr als Abholtermin und setzen uns noch für eine Erfrischung. Wir trinken Kaffee, refresco natural, essen Ananaskuchen (genauer: Ananasvulkan), Schneckennudeln (leider nicht so lecker wie von Oma Waiblingen). Jetzt müssen wir noch in den Blumenladen. Wieder diese Sucherei durchs Verkehrsgewühl. Wir parken im Halteverbot, gehen in den Laden und lassen uns verschiedene Blumen zeigen. Patti ist total unentschlossen. Wir müssen alle mithelfen, damit wir eine Entscheidung finden. Wieviele Tische müssen geschmückt werden? Und ein Brautstrauß muss auch noch bestellt werden. Wir vereinbaren, die Blumen am nächsten Tag um zehn abzuholen. Wir lassen die Gestecke nicht anfertigen, sondern bestellen 8 Kunststoffschalen und 2 Quader Steckschaum. Im selben Laden ist noch ein Friseur. Also auch dies gleich regeln. Patti braucht noch für morgen eine Hochzeitsfrisur. Nachdem wir im Katalog eine Frisur gefunden haben, machen wir für 15 Uhr einen Termin aus. Jetzt aber noch zum Centro Manú. Das Centro Manú liegt außerhalb der Stadt, auf der anderen Seite der Carretera 32. Auch hier müssen wir wieder suchen. Die erste Abfahrt ist wohl falsch. Wir landen vor dem Gerichtsgebäude. Yader ruft kurz im Centro an. Eine Abfahrt weiter müssen wir raus. Es geht in die Pampa, dennoch gibt es einige Häuser rechts und links der Straße. Wer hier wohl wohnt, frage ich mich. Allerdings hängt an einigen Häusern ein Schild „Se vende“: zu verkaufen. Die Straße wird immer schlechter. Wieder sind wir froh, einen Allradgeländewagen zu haben. Endlich das Centro Manú. Wirklich sehr schön angelegt. Es wurde kaum gerodet, nur für die Wege und die Häuschen. Wir parken vor dem „Speisesaal“. Der Verwalter kommt und begrüßt uns. Yader stellt uns vor. Wir gehen zum Versammlungsraum, in dem morgen die Trauung stattfinden wird. Es ist ein Dach auf Stelzen. Aber eine einzige Wand gibt es doch und diese ist wunderschön bemalt. Jetzt schauen wir uns noch den Speisesaal an. Wie wollen wir die Tische stellen? Wir entscheiden uns für eine U-Form. Und dann der Ablauf: 18 Uhr Trauung, 18:40 Uhr das „brindis“, d.h. Anstoßen auf das Brautpaar, Ansprachen (kurze!), Glückwünsche. Danach das Essen. Wir schauen uns noch etwas die Anlage an, den Swimming Pool (ein aufgestautes Bächlein), Basketballplatz, Tischtennis. Dann geht’s zurück Richtung Sarapiquí. An dem Soda neben der Tankstelle Río Blanco essen wir noch eine Kleinigkeit. Aber es ist laut. Die LKWs müssen hier einen Gang zurückschalten. Wir sehen Sattelzüge voller Ananas, Bananen und lebenden Zeburindern. Als wir dann näher an Sarapiquí sind, wird der Regen wieder stärker. Sarapiquí scheint wirklich das Regenzentrum des Regenwaldes zu sein. Nach der Brücke über den Hochwasser führenden Sarapiquí, der die Farbe von cafe con leche hat (Yader meint: como chocolate), ist es nicht mehr weit. Bevor wir in den Supermarkt gehen, um die alkoholfreien Getränke für morgen zu kaufen, ruft Yader seine Schwester Ana Cristhian auf dem Handy an. Sie ist mit dem Bus von San José aus auf dem Weg hierher, zusammen mit Töchterchen Ashley und ihrer Mutter Doña Elba und sie werden in Kürze hier ankommen. Also Feli und Patti im Haus absetzen und zur Bushaltestelle am Fußballplatz, wo der Bus gerade angekommen ist. Dass nach solch einem chaotischen Tag dieser Abholtermin so geklappt hat, grenzt an ein Wunder.