Braulio Carrillo – wir sind durch , aber wie

Die Durchfahrt durch den Braulio Carrillo Nationalpark ist jedesmal erneut ein Abenteuer. Wir sind gerade durch. Mit dem Linienbus. Und eineinhalb Stunden mitten drin im Stau gestanden. Eine Luft wie in der Sauna, trotz offener Fenster. Aber die anderen Fahrgäste fanden das alles normal. Man hat hier viel mehr Geduld als bei uns. Die Ursache des Staus? Ein Unfall mit zwei LKW. Kein Wunder. Die fahren hier wie die Schweine.

Braulio Carrillo gesperrt

Die berühmt-berüchtigte Carretera 32, die Straße durch den Braulio Carrillo Nationalpark, ist mal wieder gesperrt. Das ist nichts außergewöhnliches. Die ständigen Regenfälle machen den Boden so weich, dass es häufig zu Erdrutschen kommt. Das Beseitigen der Erdmassen dauert meist einen Tag, wobei auch nachts mit Flutlicht gearbeitet wird. In Ausnahmefällen war die Strecke auch schon mal eine Woche gesperrt. Da wir diese Strecke vor unserem Abflug noch zweimal passieren müssen, hoffen wir, dass wir unseren Flug nicht verpassen.

Mit dem Taxi zurück nach Costa Rica

Wir nehmen unser Frühstück auf der Terrasse direkt am See ein. Um 9:15 Uhr geht unser Bus. Es ist wohl ein kurzer Aufenthalt hier gewesen, vor allem, wenn man bedenkt wie kompliziert hier die An- und Abreise ist. Unser Bus ist wieder ein Hyundai Kleinbus, ähnlich wie unser gestriges Taxi. Aber diesmal fahren noch andere Fahrgäste mit. Hinter uns sitzen vier junge Leute aus Deutschland. Gegenüber von uns sitzt ein älteres kanadisches Ehepaar aus Toronto, mit denen wir uns sehr gut unterhalten. Als wir am Hafen sind, erreichen wir sogar noch eine Fähre früher als geplant. „Aprisa, aprisa“, rufen die Leute vom Schiff. Und kaum sind wir an Bord, legt die Fähre ab. Auf der anderen Seite warten wieder die Taxifahrer auf Kundschaft. Für US$ 15 will uns ein Taxifahrer bis zur Grenze bringen. Dann wären wir noch vor den Bussen dort und müssten nicht so lange auf unsere Abfertigung warten. Wir nehmen das Angebot an und werden die nächste dreiviertel Stunde von seinem pausenlosen Redeschwall gefangen. Bereits 3 km vor der Grenze stehen die LKW und warten. Sie müssen hier wohl mindesten einen ganzen Tag warten, vielleicht sogar noch länger. Wir fahren auf der Gegenspur vorbei und müssen nur ein paar Mal ausweichen. An der Grenze steigen wir aus und schleppen unser schweres Gepäck in der Mittagshitze an den schäbigen Imbissbuden vorbei. Hier stehen total verrostete Grillgestelle herum, auf denen unangenehm riechende Fleischstücke vor sich hinrauchen. An einer der Holzbuden bezahlen wir unsere US$ 2 pro Kopf Ausreisegebühr und passieren eine Tür aus Maschendraht. Es geht durch ein schmutziges Gebäude, dann müssen wir die Zollerklärung unterschreiben. Die Abfertigung in Nicaragua geht problemlos. Wir gehen weiter. Es sind noch 300 Meter staubiger Weg bis zum Abfertigungsgebäude in Costa Rica, vorbei an Grenzhäuschen, Viehgatter und der Desinfektionsanlage. Wir rennen, um nicht unnötig viel von dem Gift einzuatmen, mit dem die Fahrzeuge eingesprüht werden. Vor der Zollstation in Costa Rica stehen schon 100 Leute in der heißen Sonne Schlange. „Die 20 Minuten Schlange stehen halten wir auch noch durch“, denke ich im Stillen. Tatsächlich werden wir aber erst nach fast drei Stunden abgefertigt. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie das ist, wenn bis zu 10.000 Erntearbeiter pro Tag die Grenze passieren. Endlich haben wir unseren Stempel im Pass. Jetzt noch nach einem Bus Ausschau halten, der uns nach dem 75 km entfernten Liberia bringt. Ein Taxifahrer will uns für 20 US$ dorthin bringen. Mit uns sitzt noch eine Familie mit Kleinkind mit im Taxi, sonst hätte er die Fahrt nicht zu diesem Preis anbieten können. Dreimal werden wir auf dieser Fahrt durch Streckenposten der Fuerza Pública kontrolliert und jedes Mal müssen wir unsere Pässe zeigen. Bei Einbruch der Dämmerung erreichen wir Liberia. Wir lassen uns vor dem Hotel La Siesta absetzen. Das Hotel liegt nicht weit entfernt vom Stadtzentrum. Wir erhalten ein Zimmer im ersten Stock. Ich reklamiere, dass die Klimaanlage nicht funktioniert, was jedoch sofort behoben wird.
Nachdem es hier selbst nachts nicht abkühlt, kann man ohne Klimaanlage oder einen starken Ventilator kaum schlafen. Wir spazieren noch ins Stadtzentrum. Auf der Plaza vor der Kirche ist eine Bühne aufgebaut und es ertönt Musik. Irgendetwas soll hier noch geboten werden. Wir warten, bis eine Volkstanzgruppe erscheint. Die Männer tragen Baumwollanzüge aus ganz einfachem dünnen Stoff. Die Frauen -ebenfalls in weiß gekleidet- tragen weite Röcke. Eine Musikgruppe betritt die Bühne. Man hält eine Begrüßungsansprache. Die Tänze scheinen sehr ursprünglich zu sein. Es wird barfuß getanzt. Wir schauen uns drei Tänze an. Dann gehen wir zurück zum Hotel. Wir sind müde.

Ometepe

Wir genießen nochmals das herrliche Frühstück im Patio der Casa La Merced, um danach noch einen kleinen Stadtbummel zu machen. Wir besuchen die Casa de los Tres Mundos. Dies ist ein Kulturzentrum, gegründet von Dietmar Schönherr und Ernesto Cardenal. Hier werden Kinder kostenlos in Musik und Kunst unterrichtet. Um elf holt uns das Taxi vom Hotel ab und bringt uns zum Busbahnhof, an dem die Busse nach Rivas abfahren. Es geht wieder an der Markthalle vorbei. Obwohl heute Sonntag ist sind alle Verkaufsstände an der Straße geöffnet und es herrscht ein großes Gedränge. Der Busbahnhof ist ein schmutziger Hof, in einer nicht befestigten Nebenstraße, direkt neben einer wilden Müllkippe. Man sieht halb verfallene Wellblechhütten, vor denen ärmliche Gestalten sitzen. Die Busse, die hier herum stehen sind allesamt mindestens 20 Jahre alt. Unser Bus ist ein Canadian Blue Bird Baujahr 1986. Sämtliche Reifen sind komplett heruntergefahren. Wie sich später herausstellt funktioniert kein einziges Instrument am Armaturenbrett, nicht einmal der Tacho. Dafür hat der Bus eine riesige Hupe, die mitten auf der Motorhaube angebracht ist. Sämtliche Sitzpolster sind zerrissen, teilweise sitzen die Fahrgäste direkt auf dem Schaumgummi. Da es draußen sehr heiß ist, warten wir im Bus auf die Abfahrt. Immer wieder gehen Verkäuferinnen durch den Bus, um selbstgemachte Süßigkeiten, Popcorn und Enchiladas zu verkaufen. Dann fährt der Bus langsam zum Hoftor hinaus. „Rivas – Rivas – Rivas“, ruft der Hilfsschaffner laut und hilft noch ein paar Fahrgästen, während der Fahrt in den Bus zu steigen. Als wir auf der Carretera sind (der Carretera Panamericana, auch Interamericana genannt) gibt der Fahrer Gas.

Der ganze Bus vibriert wegen der nicht gewuchteten Reifen und laufend wird die Hupe betätigt. An einer Haltestelle klettert der Hilfsschaffner aufs Dach, nimmt ein dort transportiertes Fahrrad und reicht es dem Besitzer herab. Der Bus fährt los. Bleibt der Hilfsschaffner jetzt auf dem Dach sitzen? Bei voller Geschwindigkeit klettert er durch die offene Tür wieder herein. In Rivas, noch vor der Endstation steigen wir aus. Ein Taxi bringt uns nach San Jorge zum Hafen, an dem die Schiffe zur Insel Ometepe abfahren. Die Insel Ometepe besteht aus zwei steilen Vulkankegeln inmitten des Nicaraguasees, die über eine Landbrücke miteinander verbunden sind. Die Vulkane heißen Concepción (ca. 1600 m hoch, aktiv) und Madera (ca. 1400 m hoch, inaktiv). Die Überfahrt mit der Fähre dauert eine Stunde. Es ist sehr starker Seegang, aber das sei anscheinend normal. Auf der Insel warten bereits Taxifahrer, die gezielt auf Touristen zugehen (Einheimische können sich das kaum leisten). Wir lassen uns zu einer einstündigen Fahrt zur Playa Santo Domingo überreden, für das der Fahrer US$ 20 haben will. Die ganze Insel scheint noch um Jahrhunderte zurück zu sein. Außer Pferdekarren, die man in ganz Nicaragua noch sieht, gibt es viele Ochsengespanne. Vor den äußerst primitiven Hütten liegen oft die Schweine, meist nicht einmal angebunden. Die letzten paar Kilometer ist die Straße so schlecht, dass unser Fahrer im Schritttempo fahren muss. Der berühmte Santo Domingo Strand entpuppt sich als eine Ansammlung von drei allereinfachsten Unterkünften. Wir „logieren“ in der Finca Santa Domingo. Das laute Rauschen der Brandung erlaubt nur einen leichten Schlaf.

Granada, die alte Kolonialstadt

Nach dem Frühstück in dem herrlichen Patio unseres Hotels überlegen wir, was wir hier alles anschauen können. Einen großen Teil der Stadt haben wir ja bereits gesehen. Wir fragen an der Rezeption, was uns empfohlen wird. Es gibt ein rechts günstiges Tagespaket. Darin ist eingeschlossen eine Stadtführung durch einen Fremdenführer nur für uns, sämtliche Eintritte in Museen, Kirchen (Turmbesteigung), ein Mittagessen mit drei Gängen, eine Kutschfahrt zum Erholungszentrum, eine Bootsfahrt zu den Isletas und mit dem Taxi wieder zurück. Das Ganze kann hier so günstig angeboten werden, da es in Nicaragua kaum halbwegs normal bezahlte Arbeitsplätze gibt. Ohne die ca. 2.000.000 Nicaraguaner, die in Costa Rica arbeiten und das Geld heimschicken, könnte das Land wahrscheinlich nicht existieren. Aber für viele Nicaraguaner kann man dennoch nicht von Existenz sprechen. Wir beschließen, das Angebot anzunehmen. Um elf holt uns unser Fremdenführer Rodolfo am Hotel ab. „Soy Rolf, es el mismo nombre“, sage ich, und wir lachen. Wir erfahren viel über diese alte Stadt und ihre bewegte Geschichte. Granada wurde bereits 1524 gegründet und hat viele kriegerische Auseinandersetzung erlebt. Trotz Krieg und verheerenden Bränden gibt es heute noch Bausubstanz aus dieser Zeit, wie z.B. das Kloster San Francisco, das noch aus Lehmziegeln erbaut ist. Wir beginnen unseren Stadtrundgang an der Kirche Xalteva, am Rande des Stadtkerns. Davor ist ein kleiner Park. Früher grenzte dieser Park an ein Indiosiedlung. Davon ist heute jedoch nichts mehr zu sehen. Wir gehen weiter zur Kirche La Merced, direkt gegenüber unseres Hotels. Wir gehen die engen (40 cm breiten) Stufen zum Glockenturm hinauf. Von hier aus hat man einen einmaligen Ausblick über die ganze Stadt, sehen den nahegelegenen See, der mit seinen mehr als 8.000 km² unter den zehn größten Seen der Erde ist. Ganz in der Nähe ist der Vulkan Mombacho, der zuletzt 1570 ausgebrochen ist. Es ist angenehm hier oben. Durch den leichten Luftzug spürt man die Hitze nicht so sehr. Drunten in der Stadt laufen die Leute schon mit Schirmen herum, um sich gegen die Sonne zu schützen.Wir besichtigen einen der Märkte, die es hier in der Stadt gibt. Ich habe mich schon auf einiges hier eingestellt. Schon die Markthalle in San José kann man von der Sauberkeit her nicht mit der Markthalle in Stuttgart vergleichen, aber das hier … Die Markthalle wurde seit mindestens 100 Jahren nicht mehr renoviert. Die rohen Holztische, auf denen Fleisch, Innereien, Fisch und Geflügel (ungekühlt natürlich)  zum Verkauf angeboten werden, stammen auch noch aus dieser Zeit. Der Gestank ist kaum auszuhalten. Dennoch ist hier ein riesiges Gedränge in dem schlecht beleuchteten Gebäude. Die Verkäufer sind ständig damit beschäftigt, die Fliegen und anderes Getier zu verjagen. Wird das hier tatsächlich gegessen? Bei uns würde das Gesundheitsamt den Laden innerhalb einer Stunde dichtmachen. Draußen sind ebenfalls Verkaufsstände. Billige Klamotten, Handyladegeräte, Fernbedienungen. Alles Billigware aus China.Weiter geht es zum Rathaus, zum Platz der Unabhängigkeit, vorbei an der Kathedrale, am Bischofssitz, am Fernmeldeamt. Um ein Uhr setzt uns Rodolfo an einem spanischen Restaurant ab. Es ist wie die meisten Gebäude hier ein Atriumhaus. Unter dem schattigen Dach mit Blick auf den reich mit Bäumen bewachsene Innenhof und dem Geplätscher des Brunnens nehmen wir unser dreigängiges Mittagessen ein. Eine Stunde später ist Rodolfo wieder da. Es geht weiter zum Kloster San Francisco, das sogar noch ein paar Jahre vor der Stadtgründung hier errichtet wurde. Im Innern ist teilweise der Putz freigelegt, damit man die Konstruktion aus Lehmziegeln erkennen kann. Hinter dem Kloster befindet sich ein Museum für indigene Kultur mit Steinstatuen von Menschen, die ein Tier (ein Krokodil?) auf dem Rücken tragen.Vor dem Museum wartet unser 1 PS Taxi. Mit Hufgeklapper geht es durch die engen Straßen zum Seeufer. Wir fahren ins Touristenzentrum. Das Touristenzentrum ist in erster Linie für die Einheimischen hier. Sie kommen aus allen Teilen des Landes, um hier im See zu baden und bei den abendlichen Partys ein bisschen Spass zu haben. Alles hier ist sehr einfach gehalten. Auch liegt viel Müll herum. Aber es gibt viele Kinderspielplätze. Am Strand sind viele Chilamatebäume, die mit ihren breit ausladenden Kronen Schatten spenden. Wir fahren weiter zu den Bootsplätzen. Auch das Boot ist nur für uns exclusiv. Wir fahren durch die enge Bucht zwischen kleinen Inseln hinaus. Teilweise ist das Wasser dicht mit Seelilien bewachsen. Wir sehen Frauen, die ihre Wäsche im See waschen. Dann fahren wir dicht an kleinen Inseln vorbei, auf denen luxuriöse Häuser stehen. Also auch in solch bitterarmen Ländern wie Nicaragua gibt es eine Oberschicht. Eine der Inseln gehört einem gewissen Carlos Pellas, der große Teile der Wirtschaft Nicaraguas kontrolliert. Wir halten unter einem überhängenden Baum. Ein Affe springt sofort auf unser Boot und lässt sich mit Tomaten füttern. Nach seiner Mahlzeit schicken wir ihn wieder zurück. Wir sehen einen Baum mit hängenden Nestern. Es sind die Nester des Oropéndola (Psarocolius). Gegen fünf Uhr fahren wir zurück, nicht ohne das Denkmal des Stadtgründers, eines Francisco Hernández de Córdoba in der Abendsonne zu fotografieren.

Nicaragua

Heute geht es nach Nicaragua. Vielleicht. Denn wir haben noch keine Bustickets und haben auch noch nicht gecheckt, mit welcher Busgesellschaft wir wann und wo abfahren. Aber zuerst frühstücken wir auf der Terasse des Hotels in der Fußgängerzone, dem Boulevard. In den Nachrichten sehe ich den Río Chirripó und wie die Rettungskräfte mit dem Wildwasserschlauchboot den Fahrer eines Kiesbaggers von einer Kiesbank im Fluss retten.Wir nehmen ein Taxi zum Busterminal Transnica. Wir fahren durchs Barrio Mexico, einem „etwas unsicheren“ Stadtviertel. Viele uniformierte Polizisten tummeln sich in der Menschenmenge auf den Straßen. Wir fahren vorbei am Mercado Borbón, ebenfalls einer Markthalle wie der Mercado Central. Allerdings werden hier nur Lebensmittel verkauft. Obst, Gemüse, Geflügel, Fleisch und Fisch. Die Fahrt geht vorbei am Flughafen in Alajuela. Dann geht es weiter im zentralen Hochland. Das Klima hier ist relativ trocken, entsprechend ist auch die Vegetation. Es gibt Viehweiden. Wir sehen Rinder, Zebus, Pferde. In Cañas fahren wir an einer Stierkampfarena vorbei, der ersten die ich hier in Costa Rica sehe. Alles ist aus sehr einfachen Baumaterialen erstellt. Holz und Wellblech. Wir fahren über eine Brücke unter der die Kinder im Fluss baden. Kurz vor Einbruch der Dämmerung erreichen wir Peñas Blancas, die Grenzssation zu Nicaragua. Im Bus haben wir schon alle Formulare ausgefüllt, für die costaricanischen und für die nicaraguanischen Zöllner. Wir müssen den Bus verlassen und uns in der lange Schlange vor der Passkontrolle einreihen. Wir warten 40 Minuten, bis wir an der Reihe sind. Dann heißt es wieder einsteigen und der Bus fährt über die Grenze. Zuerst geht es durch die „fumigación“. Der Bus wird wie in einer Waschanlage bis zu den Scheiben hoch mit Desinfektionsmittel besprüht. An der nicaraguanischen Grenzstation müssen wir wieder aussteigen. Wieder heißt es warten. Diesmal muss auch das komplette Gepäck aus dem Bus ausgeladen werden. Als wir endlich im Bus sitzen, ist es bereits dunkel. Bei leichtem Nebel geht es durch Gassen von LKWs, die auf ihre Abfertigung warten. Als wir auf der Landstraße sind, können wir kaum noch etwas durch die Scheiben sehen. Ab und zu eine Ansammlung ärmlicher Hütten, vor denen eine Glühbirne ein spärliches Licht verbreitet. Nicaragua ist ein sehr armes Land. Laut Statistik leben 80% der Bevölkerung unterhalb des Existenzminimums. Jeder Dritte ist unterernährt. Wir fahren weiter durch die Dunkelheit. In Granada steigen wir aus. Mit uns steigt ein Paar aus, die ebenfalls eine Bleibe suchen. Wir suchen ein Taxi. Ein einziger Kleinwagen wartet an der Bushaltestelle auf Fahrgäste. Wir zwängen uns zu viert hinein und lassen uns zum Hotel Casa La Merced bringen. Die Casa La Merced liegt direkt gegenüber der gleichnamigen Kirche. Es ist ein altes Kolonialhaus mit Atrium, geschmackvoll und luxuriös eingerichtet. Wir haben keine Hotelreservierung. Es gibt aber noch freie Zimmer. Wir haben Glück. Die Hotels hier scheinen nicht stark ausgelastet zu sein, denn die Besitzerin gibt uns noch einen Rabatt.

Wieder bei Regen durch den Braulio Carrillo

Fußballplatz und Kirche in Puerto ViejoNach dem Frühstück in der Lodge heißt es auschecken. Wir haben aber noch ausreichen Zeit, das Gepäck umzupacken. Wir haben vor noch nach nach Nicaragua zu fahren und wollen unsere Koffer solange bei Yader und Patti lassen. So packen wir die Sachen für die drei Tage in einen großen Rucksack. Plötzlich ist der Strom weg. Ich bin froh, dass ich noch vor dem Frühstück geduscht habe, denn wegen des Stromausfalls gibt es auch kein Wasser. Als wir um die Mittagszeit nach Puerto Viejo kommen, ist dort ebenfalls Stromausfall. Patti kommt von der Schule. Wir wollen etwas kochen, aber der Herd geht ja auch nicht. So beschließen wir heute im Bamboo zu essen. Zurück im Haus verabschieden wir uns. hier wohnen Patti und YaderUm zwei muss Patti wieder zur Schule. Doch bevor wir losgefahren sind, kommt Patti wieder zurück. Heute mittag ist schulfrei wegen des Stromausfalls, obwohl seit einer halben Stunden wieder Strom da ist. Ja, die Schulen in Costa Rica, darüber könnte man einen eigenen Artikel schreiben. Vor allem die Pädagogik hat mit dem, was wir in Deutschland kennen, recht wenig zu tun. Aber Patti wird darüber sicherlich einiges in ihrem Praktikumsbericht schreiben. Bei strömenden Regen fahren wir los. Kurz vor der Einmündung auf die Carretera 32 passieren wir die Brücke über den Río Chirripó.

Es ist beeindruckend, welche immensen Wassermassen hier durch das Flussbett stürzen. Der Río Chirripó ist einer der Flüsse, die den Regenwald-Nationalpark Braulio Carrillo entwässern. Sobald es hier regnet, verwandelt sich der Fluss in kürzester Zeit in einen reißenden Strom. Ich stelle das Auto ab und laufe mit Regenschirm und Digitalcamera zur Brücke zurück, um ein paar Clips von diesem Schauspiel zu drehen.  Als wir dann auf der Carretera 32 sind, schaffen die Scheibenwischer (gesichert mit dem Stückchen Tempo) kaum mehr die Wassermassen. In San José angekommen, suchen wir die Mietwagenfirma, tanken nochmals voll und lassen uns den Weg dorthin erklären. Die Mitarbeiter von Adobe sind sehr erfreut: wir sind sorgsam mit dem Fahrzeug umgegangen. Wir fragen nach einem Taxi zum Hotel Posada del Museo. Taxi? In 10 Minuten muss sowie ein Mitarbeiter dort in diese Gegend und wir können mitfahren. im Hotel Posada del MuseoEs ist Don Rafael, der uns gleich freundlich begrüßt und uns nach der Hochzeit fragt. Die Leute hier sind sehr freundlich und erinnern sich auch noch nach Tagen an einen und was man mit ihnen geredet hat. Das Hotel Posada del Museo liegt direkt am Nationalmuseum, Ecke Boulevard und Avenida Segunda. Die Avenida Segunda ist eine sehr stark befahrene Straße, da sie die Hauptausfallstraße zur Fuente de la Hispanidad und nach Cartago ist. Dafür ist das Hotel sehr schön. Ein mehrstöckiges, über 100 Jahre altes Holzhaus, ganz im Kolonialstil gehalten. Fast alles ist noch original, aber sauber gepflegt und erhalten.

Centro Neotrópico Sarapiquís

Heute war ein sehr heißer Tag. Und wieder ganz ohne Regen. Dafür war die Luftfeuchtigkeit unerträglich hoch. Nach dem Frühstück in unserer Lodge fuhren wir ins Centro Neotrópico Sarapiquís. Das liegt auf der Straße Richtung Ciudad Quesada, genauer in La Virgen, 17 km weg von Puerto Viejo de Sarapiquí. Wenn man im Auto sitzt, ist es noch einigermaßen erträglich, da die Klimaanlage (aire acondicionado) innerhalb zwei Minuten für fast normale Temperaturen sorgt. Die Windschutzscheibe beschlägt von außen, da die feuchtheiße Luft an der gekühlten Scheibe kondensiert. Schnell ist ein kühles Raumklima erreicht. Wenn man jetzt nicht zurückregelt, friert es einen sogar. Aber sobald man die Wagentür öffnet, holt einen die Wirklichkeit mit einem Faustschlag ein. Wir kommen in La Virgen an. Das Centro Neotrópico ist eine große Anlage mit botanischem Garten, einem Museum für indigene Kultur sowie einer kleinen aber sehr gepflegten Lodge. In Costa Rica gab es vor der Eroberung acht indigene Volksstämme, von denen ein paar bis heute ihre Sprache und in geringem Umfang auch ihre Kultur beibehalten konnten. Insgesamt leben heute ca. 35.000 Indigene in Costa Rica. Wir lernen die Lehren ihrer Schamanen kennen, den Gebrauch der Heilhölzer (ca 1 m lange, 8 cm dicke und bemalte Holzknüppel), Heilkräute, ihre rituellen Tänze. Wir schauen uns noch den botanischen Garten an. Am meisten interessieren mich die Kräuter, die hier viel intensiver duften als bei uns. Wilde Pfefferminze, Opuntie (Tuna, Nayeli aus Mexico würde sagen: Nopales), Wilder Koriander (culantro de coyote, in Ludwigsburg im Asia-Laden bei Soo-Lian als „stinking grass“ erhältlich), wilder Oregano, ein ganz toll riechender Rosmarin. Da war zwar ein Schild mit „Breitwegerich“ dran (plantaga mayor), aber die Gringo-Touristen hätte das eh nicht interessiert. Unter anderem gibt es hier noch Kakaobäume und einen Cas-Baum. Cas (psydium friedrichsthalianum) wird hier in Costa Rica gerne als refresco natural getrunken. Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, wird für ein refresco frisches Obst mit Wasser oder Milch im Mixer püriert. Das ganze noch etwas gezuckert und mit Eiswürfeln serviert. Wir fahren nach Puerto Viejo de Sarapiquí. Im Supermarkt La Viña, keine 100 m von Yader und Pattis Häuschen, kaufen wir Teigwaren, Thunfisch, Kapern, Tomaten, Koriander. Patti hat heute ihren ersten Tag in der Schule und wir wollen ihr ein Mittagessen bereiten. Im Haus treffen wir auf Johannes, der gerade einen großen Krug Tamarindengetränk bereitet. Doppelte Menge Tamarinde, damit es auch richtig fruchtig schmeckt. Wir essen, Patti muss noch Ausdrucke für die Schule machen, ich bringe Johannes und Katharina (die andere Freiwillige) nach Chilamate, komme zurück und wir fahren in unsere Lodge. Zwischenzeitlich ist es so heiß, dass es kaum mehr erträglich ist. Man hört wieder das Avioneta, das die Plantagen besprüht. Es fliegt knapp über den Plantagen, zieht dann steil hoch, um in einer engen Kurve zu wenden. Dann stürzt es wieder in den Tiefflug. Wir hören ein Gewitter. Man sieht Blitze. Der Donner wird immer lauter. Der Regen bleibt diesmal jedoch aus. Wir fahren noch zu Patrizia. Yader ist zwischenzeitlich von seinem Seminar zurück. Wir machen wieder Tomatensalat sowie Nudeln mit Rührei. Johannes hat eine Guacamole püriert, die wir als Vorspeise mit Maiskräckern dippen. Wir sprechen über die Iglesia Luterana, über die Themen, die dort gerade anstehen, über das Seminar. Gegen zehn sind wir in der Lodge und die Temperatur beginnt, erträglicher zu werden.

Die Flussfahrt

Heute haben wir eine Flussfahrt unternommen. Genauer gesagt war es eine zoologisch-botanische Exkursion. Wir mussten bereits um 9 Uhr an der Anlegestelle sein, da um diese Zeit mehr Tiere zu beobachten sind als am Mittag. Außer uns war noch ein Paar aus der Schweiz mit dabei. Die restlichen Sitzplätze blieben leer, und das war gut so. Der Bootsführer musste nicht laut sprechen, da wir direkt hinter ihm saßen und so konnten wir eine Vielzahl an Tieren beobachten. Zuerst ging’s ein Stückchen flussabwärts Richtung Río San Juan. In der Nähe des Badeplatzes sahen wir einige Affen in den Bäumen klettern. Es waren Brüllaffen, am dunklen Fell sehr gut erkennbar. An einem Baumstamm hingen Fledermäuse, eine ziemlich kleinwüchsige Art, fast so klein wie Schmetterlinge. Dann fuhren wir wieder flussaufwärts. Es ging in einen Nebenfluss hinein. Die Ufer waren dicht bewachsen. Kakaobäume, wilde Bananen, den geschützten Bergmandelbaum, Brotfruchtbäume. Und wieder viele Tiere. Es gibt hier auf dichtestem Raum über hundert Vogelarten. Wir sahen viele Eisvögel, Reiherarten, den „Schlangenhalsvogel“ Anhinga, der so heißt, weil beim Schwimmen nur sein langer Hals und der Kopf aus dem Wasser taucht. Jedes Mal, wenn der Bootsführer ein Tier erspähte, fuhr er ganz dicht ans Ufer, damit wir es aus nächster Nähe betrachten konnten. Wir sehen große, ausgewachsene Leguane, die kleineren Basilisken und drei Kaimane, denen wir uns jedes Mal bis fast auf einen Meter nähern können. Dass die Tiere hier so dicht aufeinander leben, dass sie sich beinahe auf die Füße treten, ist erstaunlich. Aber die Kaimane gehen mir noch durch den Kopf: warum baden die Kinder jeden Tag im Fluss, wenn es so viele Kaimane gibt? „Die essen nur Fische“, sagt unser Bootsführer. Hoffentlich wissen die Kaimane das auch.

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Am Nachmittag nehmen wir Patti mit in unsere Lodge, damit sie sich in dem kleinen Jacuzzi ohne Kaimane erfrischen konnte. Abends bereitet uns Idiana, die Köchin, ein Essen aus gebratenen Fischstücken, Gemüse und Salat. Dazu gibt es einen großen Krug Carambolasaft, frisch gepresst aus Früchten aus dem Garten. Wir bringen Patti zurück nach Puerto Viejo, denn morgen ist ihr erster Tag an der Schule.

Sonnenschein im Regenwald

Als ich aufwache, höre ich keinen Regen. Nur das Vogelgezwitscher. Ich schaue hinaus. Noch ist es etwas dämmerig und diesig. Es wird ein schöner und sonniger Tag. Nach so viel Regen die letzte Zeit freut man sich auf die Sonne. Nach dem Frühstück schaue ich mir die Umgebung unserer Lodge an. Ich gehe ans Flussufer. Es ist kaum zu glauben: das Hochwasser ist weg. Von jetzt auf nachher. Der Sarapiquí hat eine starke Strömung. Vor zwei Tagen noch war der Fluss über die Ufer getreten und hat weite Teile überschwemmt. Jetzt ist der Wasserstand um mehrere Meter gefallen. Die Schiffslände am alten Bananenhafen, die komplett unter Wasser lag, ist jetzt wieder frei. Wir werden heute einen Ausruhetag einlegen.